Margaret Mitchell
bißchen Gold alles ausrichtet.«
»Oh, ich
wußte, daß die Yankees gemein sind, ich wußte aber nicht ... «
»Wozu
vertuschen, daß die Yankees ein anständiges Stück Geld damit verdienen, daß sie
die Warenbestände der Union ausverkaufen. In hundert Jahren kräht kein Hahn
mehr danach. Daß die Konföderierten am Ende doch Prügel bekommen, steht fest,
und warum sollten diese Leute dabei nicht verdienen?«
»Wir,
Prügel?«
»Selbstverständlich.
«
»Wollen
Sie bitte gehen ... oder ich lasse meinen Wagen holen und fahre nach Hause, um
Sie loszuwerden.«
»Sie hitzköpfige
kleine Rebellin«, sagte er und lachte über das ganze Gesicht. Dann verbeugte er
sich und machte sich gemächlich davon, und sie blieb, bis zum Rande erfüllt von
ohnmächtiger Wut und Empörung, zurück. Eine Enttäuschung brannte in ihr, aus
der sie nicht klug wurde. Es war die Enttäuschung eines Kindes, das seine
Träume in Stücke gehen sieht. Wie durfte er sich unterstehen zu behaupten, die
Konföderierten würden Prügel bekommen! Dafür verdiente er, erschossen zu werden
wie ein gemeiner Verräter. Sie blickte im Saal umher auf all die vertrauten
Gesichter, die des Sieges ihrer Sache so sicher waren und so viel Tapferkeit
und Hingebung ausdrückten; und dennoch kroch etwas wie ein kalter Schauer ihr
ins Herz. Prügel? Diese Leute? Unsinn! Schon der bloße Gedanke war Verräterei.
»Was
hattet ihr beiden da zu flüstern?« wandte sich Melanie an Scarlett, als ihre
Kunden sich entfernt hatten. »Mrs. Merriwether hat die ganze Zeit über ein Auge
auf dich gehabt, und du, Liebes, kennst ihre Zunge!«
»Ach,
dieser Mann ist unmöglich ... ein ungezogener Flegel«, sagte Scarlett, »und die
alte Merriwether laß nur reden. Ich habe keine Lust mehr, mich ihr zuliebe wie
ein Lamm aufzuführen.«
»Aber
Scarlett!« rief Melanie bestürzt.
Plötzlich
verstummte der Lärm der Versammlung abermals, als Dr. Meade seine Stimme erhob,
um den Damen seinen Dank dafür auszusprechen, daß sie so bereitwillig ihre
Schmucksachen hergegeben hatten. »Und nun, meine Damen und Herren«, fuhr er
fort, »möchte ich Ihnen eine Überraschung vorschlagen. Etwas ganz Neues, das
bei einigen von Ihnen vielleicht Anstoß erregen wird, aber ich bitte Sie, daran
zu denken, daß es um des Lazaretts willen geschieht und zum Besten unserer
Braven, die dort liegen.«
Alle
drängten erwartungsvoll zu ihm hin und versuchten zu erraten, was der würdige
Doktor wohl Anstößiges vorschlagen könnte.
»Jetzt
beginnt der Tanz, und als erstes natürlich eine Polonäse mit nachfolgendem
Walzer. Jedem der folgenden Tänze, den Polkas, den Schottischen, den Mazurkas
geht eine kurze Polonäse vorauf. Ich kenne wohl den stillen Wettbewerb um die
Führung dabei, und deshalb ... «
Der Doktor
wischte sich die Stirn und warf einen besorgten Seitenblick in die Ecke, wo
seine Frau unter den Chaperons saß. »Meine Herren, wenn Sie mit der Dame Ihrer
Wahl eine Polonäse anführen möchten, müssen Sie auf Ihre Dame bieten. Ich bin
der Auktionator. Der Ertrag geht an das Lazarett.«
Mitten im
Wedeln hielten die Fächer plötzlich inne, und ein erregtes Gemurmel lief durch
den Saal. Die Ecke der alten Damen geriet in Aufruhr. Mrs. Meade, die ihrem
Mann in einer Aktion, die sie mißbilligte, doch von Herzen gern beistehen
wollte, befand sich im Nachteil. Die Damen Elsing, Merriwether und Whiting
hatten rote Köpfe vor Entrüstung, aber die gesamte Landwehr stimmte einen
begeisterten Hochruf an, in den alle andern Gäste in Uniform einfielen. Die
jungen Mädchen klatschten in die Hände und liefen vor Aufregung umher.
»Findest
du nicht ... es ... es ist doch ein bißchen wie eine Sklavenauktion«, sagte
Melanie leise und sah etwas unsicher zu dem unternehmungslustigen Doktor, der
bisher in ihren Augen eine Autorität gewesen war, hinüber.
Scarlett
erwiderte nichts, aber ihre Augen glänzten, während sich ihr das Herz in leisem
Schmerz zusammenzog. Wäre sie doch nur keine Witwe, wäre sie doch wieder
Scarlett O'Hara und dort auf dem Tanzboden in einem apfelgrünen Kleid mit
dunkelgrünen Samtbändern, die ihr über die Brust herabhingen, und mit Tuberosen
im schwarzen Haar - die Polonäse würde sie anführen und keine andere! Ein
Dutzend Männer würden um sie kämpfen und einander bei Dr. Meade überbieten.
Ach, daß sie hier sitzen mußte, ein Mauerblümchen wider Willen, und zusehen,
wie Fanny oder Maybelle als Königin von Atlanta die Polonäse anführte!
Über
Weitere Kostenlose Bücher