Margaret Mitchell
nun endlich aufrichtig.«
Er öffnete
sein Etui, nahm eine schwärzliche Zigarre heraus und hielt sie einen Augenblick
an die Nase. Ein Streichholz flammte auf, er lehnte sich an den Pfosten,
faltete die Hände um die Knie und rauchte eine Weile schweigend. Wieder schloß
das tiefe Dunkel der warmen Nacht sie ein. Die Spottdrossel, die in dem Gewirr
der Gebüsche nistete, gab schlummernd einen scheuen, hellen Ton von sich. Dann
war alles wieder still.
Plötzlich
fing Rhett tief und leise zu lachen an: »Sie sind also bei Mrs. Wilkes
geblieben. Das ist das Seltsamste, das mir je vorgekommen ist.«
»Ich finde
nichts Seltsames daran«, antwortete sie betreten.
»Nein?
Nun, ich hatte seit einiger Zeit den Eindruck, daß Sie Mrs. Wilkes kaum noch
ertrügen. Daher kommt es mir so seltsam vor, daß Sie während dieser Gefahr bei ihr
aushalten. Warum tun Sie das?«
»Weil sie
Charlies Schwester und auch für mich wie eine Schwester ist«, antwortete
Scarlett würdevoll, obwohl sie fühlte, wie sie rot wurde.
»Sie
meinen, weil sie Ashley Wilkes' Witwe ist?«
Scarlett
stand rasch auf und bezwang nur mit Mühe ihren Zorn. »Fast war ich soweit,
Ihnen Ihr Benehmen von neulich zu verzeihen. Und ich hätte Sie nicht wieder
hier hereingelassen, wenn mir nicht gar so jämmerlich zumute gewesen wäre.«
»Setzen
Sie sich und glätten Sie das gesträubte Gefieder«, sagte er mit veränderter
Stimme. Er zog sie an der Hand in den Stuhl zurück. »Warum ist Ihnen denn so
jämmerlich?«
»Ich habe
heute einen Brief aus Tara bekommen. Die Yankees sind in der Nähe, meine kleine
Schwester hat Typhus, und Mutter will nicht erlauben, daß ich nach Hause komme.
Ach, und ich möchte so gern nach Hause!«
»Weinen
Sie nicht«, sagte er mit weicher Stimme. »Sie sind hier in Atlanta viel
sicherer als in Tara, auch wenn die Yankees hierherkommen sollten. Die Yankees
tun Ihnen nichts, wohl aber der Typhus.«
»Die
Yankees tun mir nichts? Wie können Sie so lügen!«
»Kind, die
Yankees sind keine Teufel. Sie haben weder Hörner noch Hufe, wie Sie zu glauben
scheinen. Sie sind den Leuten der Südstaaten ganz ähnlich, wenn sie natürlich
auch schlechtere Manieren haben und einen schrecklichen Dialekt.«
»Aber sie
werden ... «
»... Sie
vergewaltigen? Ich glaube es nicht, obwohl sie natürlich dazu Lust haben
werden.«
»Wenn Sie
so gemein reden, gehe ich hinein«, fuhr sie ihn an, dankbar, daß die Dunkelheit
ihr Erröten verbarg.
»Seien Sie
aufrichtig, haben Sie das nicht eben gedacht?«
»Nein,
bestimmt nicht l«
»Aber
bestimmt doch! Daß Sie böse werden, weil ich Ihre Gedanken errate, hat keinen
Zweck. Alle Ihre Damen aus dem Süden denken in ihrem reinen Herzen so. Es liegt
ihnen beständig im Sinn, ich möchte wetten, selbst den würdigsten alten Damen,
wie Mrs. Merriwether ... «
Scarlett
schwieg und mußte daran denken, daß immer, wo in diesen schweren Tagen zwei
oder mehrere Frauen zusammensaßen, von solchen Untaten getuschelt wurde, die
sich in Virginia, Tennessee oder Louisiana zugetragen haben sollten. Die
Yankees vergewaltigten Frauen, spießten Kinder auf Bajonette und zündeten den
Leuten die Häuser über dem Kopfe an. Wenn Rhett einen Rest von Anstand besaß,
mußte er einsehen, daß dies alles wahr sei, und er durfte nicht darüber reden.
Außerdem war nichts daran zu lachen. Und sie hörte ihn leise in sich
hineinlachen. Er war wirklich abscheulich. Es war unerhört von einem Manne, zu
wissen, woran die Frauen dachten, und obendrein davon zu reden. Man kam sich
wie nackend vor. Scarlett fühlte sich so gern in den Augen der Männer als ein
geheimnisvolles Rätselwesen und wußte doch, daß Rhett sie durchschaute wie
Glas.
»Dabei
fällt mir ein«, fuhr er fort, »haben Sie so etwas wie einen Schutz oder eine
Aufsicht im Hause, vielleicht die bewunderungswerte Mrs. Merriwether oder Mrs.
Meade?«
»Mrs.
Meade kommt manchmal herüber.« Scarlett war froh, von etwas anderem zu reden.
»Aber heute abend konnte sie nicht; Phil ist zu Hause.«
»Welch ein
Glück, Sie allein anzutreffen«, sagte er leise.
Etwas in
seiner Stimme trieb ihr Herz zu angenehm rascheren Schlägen, und sie spürte,
wie sie errötete. Auf diesen Ton in Männerstimmen verstand sie sich, und sie
wußte, er kündigte ihr eine Liebeserklärung an. Ach, welch eine Freude! Wenn er
nun von seiner Liebe sprach, wie wollte sie ihn zur Strafe für all seine
höhnischen Bemerkungen quälen! Dann waren sie miteinander quitt. Sogar für
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