Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
Vom Netzwerk:
als hätte die alte Dame ihr
ein Verbrechen zugemutet. »Wie eine schwarze Pflückerin? Wie die weißen
Proleten, wie die Slatterys?«
    »Kommen
Sie mir mit Proleten! Was seid ihr für ein verweichlichtes Geschlecht! Das kann
ich Ihnen sagen, Miß, als ich ein Mädchen war, verlor mein Vater sein ganzes
Vermögen, und ich war nicht zu gut dazu, mit den Händen zu arbeiten, auch auf
dem Felde, bis später Geld genug da war, Schwarze zu kaufen. Ich habe meine
Reihen durchgehackt und meine Baumwolle gepflückt und kann es wieder, wenn Not
am Mann ist, und soweit wird es wohl bald sein. Weiße Proleten, da hört doch
alles auf.«
    »Aber
Mama«, sagte ihre Schwiegertochter und warf den beiden jungen Frauen flehende
Blicke zu, sie möchten ihr helfen, die alte Dame zu besänftigen. »Das ist schon
so lange her, es waren ganz andere Zeiten, inzwischen hat die Welt sich
verändert.«
    »Die Welt
verändert sich nicht darin, daß ehrlich gearbeitet werden muß«, beharrte die alte
Dame und wollte sich nicht beschwichtigen lassen. »Ich schäme mich in der Seele
Ihrer Mutter, wenn Sie so reden, als machte ehrliche Arbeit anständige Leute zu
Proleten.«
    Scarlett
wechselte eilig das Thema und fragte: »Was machen Tarletons und Calverts?
Wurden ihre Häuser auch in Brand gesteckt? Sind sie nach Macon geflohen?«
    »Bei
Tarletons sind die Yankees nicht gewesen. Sie liegen wie wir weitab von der
Hauptstraße. Aber bei Calverts waren sie und haben Vieh und Geflügel
mitgenommen und auch die Schwarzen«, fing Sally an.
    Großmama
unterbrach sie: »Ha! All den schwarzen Mädchen haben sie seidene Kleider und
Ohrringe versprochen. So haben sie es gemacht. Cathleen Calvert sagte, einige
Soldaten hätten die schwarzen Gänse hinten auf den Sattel genommen. Nun, alles,
was dabei herauskommt, sind gelbe Babys, und das Yankeeblut wird den Schlag
nicht gerade verbessern.«
    »Aber
Mama!«
    »Mach
nicht solch dummes Gesicht, Jane. Wir sind doch alle verheiratet und haben weiß
Gott schon Mulattenbabys gesehen.«
    »Warum
haben sie Calverts Haus nicht abgebrannt?«
    »Das Haus
wurde durch das vereinte Gewäsch der zweiten Mrs. Calvert und ihres
Sklavenaufsehers Hilton gerettet«, sagte die alte Miß, die die frühere
Erzieherin immer noch als »die zweite Mrs. Calvert«, bezeichnete, obwohl die
erste Mrs. Calvert schon seit zwanzig Jahren tot war. »Wir halten getreu zu der
Union«, äffte die alte Dame und sprach die Worte verächtlich durch ihre lange
magere Nase. »Cathleen sagte, die beiden hätten hoch und heilig geschworen,
alle Familienmitglieder seien Yankees, und dabei liegt Mr. Calvert tot auf dem
Schlachtfeld am Rapidan und Raifort bei Gettysburg, und Cade steht in Virginia
bei der Armee. Cathleen hat sich hinterher so geschämt, daß sie lieber das Haus
hätte brennen sehen. Cade werde bersten, sagte sie, wenn er zurückkomme und das
höre. Aber das hat ein Mann davon, wenn er eine Yankeefrau heiratet - keinen
Stolz - keine Ehre, immer nur denken sie an die eigene Haut. Wie kommt es, daß
sie Tara nicht abgebrannt haben?«
    Einen
Augenblick zögerte Scarlett mit der Antwort Die nächste Frage mußte nun sein,
wie es zu Hause ging, was die liebe Mutter mache. Aber erzählen, daß Ellen tot
war, konnte sie nicht. Wenn sie die Worte in Gegenwart dieser mitfühlenden
Frauen ausspräche, dann würde sie in einen Strom von Tränen ausbrechen und sich
krank weinen. Weinen aber durfte sie nicht, sie hatte noch nicht richtig
geweint, seitdem sie nach Hause gekommen war. Sie wußte, wenn sie einmal die
Schleusen öffnete, dann war es mit ihrem krampfhaft bewahrten Mut vorbei. Aber
ebensogut wußte sie, daß Fontaines es ihr nie verzeihen würden, wenn sie Ellens
Tod verschwieg. Besonders Großmama hielt so viel von Ellen. Und es waren nur
wenig Menschen in der Provinz, für die die alte Dame ihre welken Finger gerührt
hätte.
    »Nun!
heraus mit der Sprache!« Großmama sah sie scharf an, »wissen Sie das nicht,
Miß?«
    »Ich bin
erst am Tage nach der Schlacht nach Hause gekommen, da waren die Yankees schon
alle fort. Pa hat mir erzählt, er habe die Yankees von der Plünderung
abgehalten, indem er ihnen sagte, daß Suellen und Carreen schweren Typhus
hätten und nicht fortgeschafft werden könnten.«
    »Zum
erstenmal höre ich, daß ein Yankee sich anständig benommen hat«, sagte
Großmama, als täte es ihr leid, von den Feinden etwas Gutes zu vernehmen. »Wie
geht es den Mädchen jetzt?«
    »Oh, viel
besser, beinahe wieder gut. Sie

Weitere Kostenlose Bücher