Margaret Mitchell
allein
die Großmama, die in den Siebzigern stand, ihre Schwiegertochter, die ihr Leben
lang unter dem Namen »junge Miß« ging und auch die Fünfzig schon überschritten
hatte, und Sally, die eben zwanzig geworden war. Sie lebten von den nächsten
Nachbarn weit entfernt, jeden Schutzes bar, dennoch war auf ihren Gesichtern
keine Furcht zu sehen, wahrscheinlich, weil sie so unter dem Einfluß der
porzellanfeinen, unerschütterlichen Großmama standen, daß sie ihre Angst lieber
für sich behielten. Auch Scarlett hatte Respekt vor der alten Dame, denn sie
hatte scharfe Augen und eine scharfe Zunge; beide hatte Scarlett früher schon
zu fühlen bekommen.
Obwohl die
drei Frauen im Alter so verschieden und nicht blutsverwandt waren, einten sie
doch die gleichen Erlebnisse und der gleiche Geist. Alle drei trugen
selbstgefärbte Trauerkleidung, alle waren erschöpft, betrübt und sorgenvoll und
befanden sich im Zustand einer Bitterkeit, die nicht murrte und klagte, aber
noch in ihrem Lächeln sichtbar wurde. Ihre Sklaven waren fort, ihr Geld war
wertlos, Joe, Sallys Mann, hatte bei Gettysburg den Tod gefunden, und auch die
junge Miß war Witwe, denn der junge Doktor Fontaine war in Vicksburg an der
Ruhr gestorben. Die beiden anderen Söhne Alex und Tony waren irgendwo in
Virginia, niemand wußte, ob lebendig oder tot, und der alte Doktor stand bei
Wheelers Kavallerie.
»Dabei ist
der alte Narr dreiundsiebzig Jahre alt und sitzt so voller Rheumatismus wie ein
Schwein voller Fliegen«, sagte Großmama mit Stolz auf ihren Mann, und der
Freudenschimmer in ihren Augen strafte ihre derben Worte Lügen.
»Haben Sie
irgendwelche Nachricht, was in Atlanta vorgehen mag?« fragte Scarlett, als sie
beisammen saßen. »In Tara sind wir wie begraben.«
»Wir sind
in derselben Lage«, sagte die alte Dame, »wir wissen nichts, als daß Sherman
die Stadt schließlich bekommen hat.«
»Also hat
er sie. Und was geschieht jetzt? Wo wird weitergekämpft?«
»Wie
sollten drei einsame Frauen hier draußen auf dem Lande etwas über den Krieg
wissen, wo wir doch seit Wochen keine Briefe und keine Zeitung zu sehen
bekommen haben?« sagte die alte Dame bärbeißig. »Eine unserer Schwarzen hat mit
einem Schwarzen gesprochen, der einen Schwarzen gesehen hat, der in Jonesboro
war. Weiter haben wir nichts gehört. Sie sagen, die Yankees hocken immer noch
in Atlanta und ruhen Mann und Pferd aus. Nun, das Ausruhen mögen sie nötig
haben, nachdem wir ihnen das Leben so schwergemacht haben.«
»Wenn ich
daran denke, daß Sie schon die ganze Zeit auf Tara sind«, fiel ihr die junge
Miß ins Wort, »mache ich mir Vorwürfe, daß ich nicht hinübergeritten bin, um
nachzusehen. Aber seitdem alle Schwarzen fort sind, gibt es hier so viel zu
tun, daß ich nicht abkommen kann. Ja, ich bin keine gute Nachbarin gewesen.
Aber wir dachten natürlich, die Yankees hätten Tara abgebrannt wie die anderen
Häuser, und Ihre Familie wäre in Macon. Wir hatten keine Ahnung, daß Sie wieder
zu Hause sind, Scarlett.«
»Wie
hätten wir es auch wissen sollen, wo doch die Schwarzen von Tara hier
durchkamen und so verängstigt waren, daß ihnen die Augen aus dem Kopfe rollen
wollten, und sagten, die Yankees wären dabei, Tara niederzubrennen«, unterbrach
Großmama.
»Und wir
sahen ...«, fing Sally an.
»Das
erzähle ich«, sagte die alte Miß kurz. »Sie erzählten, die Yankees hätten in
Tara ihr Lager aufgeschlagen, und O'Haras wollten nach Macon. Und am Abend
sahen wir einen Feuerschein in der Richtung von Tara, der stundenlang am Himmel
blieb und unseren dummen Schwarzen eine solche Angst einjagte, daß sie alle
davonliefen. Was ist da abgebrannt?«
»All
unsere Baumwolle - im Wert von hundertfünfzigtausend Dollar«, antwortete
Scarlett bitter.
»Seien Sie
dankbar, daß es nicht das Haus war«, sagte Großmama und stützte das Kinn auf
ihren Stock. »Baumwolle könnt ihr neu bauen, ein Haus aber nicht. Hatten Sie
übrigens schon angefangen zu pflücken?«
»Nein«,
sagte Scarlett, »aber nun ist das meiste zertrampelt Ich glaube nicht, daß noch
mehr als drei Ballen, und die auf einem entlegenen Feld am Fluß, stehen. Und
was hilft uns das? Alle unsere Schwarzen sind fort. Wer soll sie pflücken?«
»Gnade mir
Gott! Alle Schwarzen sind fort, wer soll sie pflücken?« sprach Großmama ihr mit
spöttischen Blicken nach. »Was fehlt denn Ihren hübschen Pfötchen, Miß, und
denen Ihrer Schwestern?«
»Ich?
Baumwolle pflücken?« sagte Scarlett entgeistert,
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