Margaret Mitchell
ging und
ihn nicht losließ, so daß er sich weit sanfter und gesitteter gegen sie benahm
als gegen irgendeinen andern Menschen auf der Welt.
»Du bist
ja alt genug, ihr Vater zu sein!«
»Ich bin
in meinen besten Jahren!« Gerald war gekränkt.
»Jerry,
auf kein Mädchen in Savannah kannst du weniger rechnen als auf sie. Ihr Vater
ist ein Robillard, und diese Franzosen sind stolz wie die Spanier. Ihre Mutter
- Gott hab sie selig - war eine sehr vornehme Dame.«
»Was
schert das mich?« Gerald wurde hitzig. »Übrigens ist die Dame tot, und der alte
Robillard hat mich gern.«
»Als Mann
wohl, aber als Schwiegersohn nicht.«
»Das
Mädchen nimmt dich doch nicht«, warf Andrew ein. »Sie ist seit einem Jahr
verliebt in ihren Vetter Philippe Robillard, einen tollen Draufgänger, obwohl
ihre Familie ihr Tag und Nacht in den Ohren liegt, sie solle ihn laufen
lassen.«
»Diesen
Monat ist er nach Louisiana abgereist«, sagte Gerald.
»Woher
weißt du das?«
Gerald
hatte keine Lust, ihnen anzuvertrauen, daß er diese unschätzbare Auskunft Pork
verdankte, und auch nicht, daß Philippe auf den ausdrücklichen Wunsch der
Familie in den Westen gefahren war.
»Sie wird
schon nicht so verliebt sein, daß sie ihn nicht vergessen könnte. Mit fünfzehn
weiß man noch nicht viel von Liebe.«
»Die
Eltern werden den tollköpfigen Vetter immer noch lieber nehmen als dich.«
Aber James
und Andrew waren sprachlos, als die Nachricht kam, daß Pierre Robillards
Tochter den kleinen Iren aus dem Oberland heiraten wollte. In Savannah zerbrach
man sich den Kopf über Philippes Reise nach dem Westen, aber die Klatschmäuler
brachten nichts heraus. Warum Robillards reizendste Tochter einen
geräuschvollen kleinen Mann mit rotem Gesicht heiraten sollte, der ihr kaum bis
an die Ohren reichte, blieb ihnen allen ein Rätsel. Gerald wurde sich selbst
nie recht klar darüber, wie alles gekommen war. Ihm war ein Wunder geschehen,
und deshalb war er dieses eine Mal in seinem Leben aus ganzem Herzensgrund
demütig, als die sehr blasse, aber ganz ruhige Ellen ihm ihre leichte Hand auf
den Arm legte und sagte: »Ich will Sie heiraten, Mr. O'Hara.«
Die
Robillards, die wie vom Blitz getroffen waren, konnten wohl einiges ahnen. Nur
Ellen und ihre Mammy kannten die ganze Geschichte jener Nacht, da das Mädchen
herzzerreißend wie ein Kind bis Tagesanbruch geschluchzt hatte und am Morgen
als entschlossene Frau wieder aufgestanden war. Mit bangen Ahnungen hatte Mammy
ihrer jungen Herrin ein kleines Paket aus New Orleans mit einer Anschrift von
fremder Hand überbracht. Es enthielt ein Miniaturbildnis von Ellen - sie warf
es mit einem Aufschrei zu Boden -, vier Briefe von ihrer eigenen Hand an
Philippe Robillard und die kurze Mitteilung eines Priesters aus New Orleans,
der ihr den Tod ihres Vetters bei einer Schlägerei in einer Bar anzeigte.
»Sie haben
ihn vertrieben. Vater, Pauline und Eulalia. Sie trieben ihn fort! Ich hasse sie
alle, alle! Ich will sie nie wiedersehen! Weg will ich, weg und keinen von
ihnen wiedersehen, weder die Stadt noch irgend etwas, was mich an ihn
erinnert.«
Als die
Nacht fast vorüber war, hatte Mammy, die sich über den Kummer ihrer Herrin
selbst die Augen ausgeweint hatte, Einspruch erhoben: »Aber Liebling, das
kannst du nicht.«
»Das will
ich aber. Mr. O'Hara ist ein guter Mann. Ich tue es, oder ich gehe nach
Charleston ins Kloster.«
Die
Drohung mit dem Kloster gewann schließlich die Zustimmung des ganz verstörten,
tiefgetroffenen Pierre Robillard. Er war strenger Presbyterianer, trotz seiner
katholischen Familie, und der Gedanke, seine Tochter könnte Nonne werden, war
ihm schrecklicher als die Heirat mit Gerald O'Hara. Schließlich war ja gegen
den Mann nichts weiter einzuwenden, als daß er nicht aus bester Familie
stammte.
So kam es,
daß Ellen Savannah den Rücken kehrte, um es niemals wiederzusehen, und mit
ihrem nicht mehr jungen Mann, mit Mammy und zwanzig Hausnegern nach Tara
reiste.
Im nächsten
Jahr wurde das erste Kind geboren. Sie nannten es Katie Scarlett nach Geralds
Mutter. Gerald war enttäuscht, weil er sich einen Sohn gewünscht hatte, aber er
freute sich dann doch so sehr über die kleine schwarzhaarige Tochter, daß er
jedem Sklaven auf Tara Rum ausschenken ließ und sich selbst einen tosenden,
seligen Rausch antrank.
Wenn Ellen
ihren jähen Entschluß je bedauerte, so bekam es jedenfalls niemand zu wissen,
am allerwenigsten Gerald, der vor Stolz schier bersten wollte, sooft er
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