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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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hatte.
    Als
Scarlett ein Jahr alt und so kräftig und gesund war, wie es einem so kleinen
Mädchen nach Mammys Ansicht eigentlich kaum zukam, gebar Ellen ihr zweites
Kind, Susan-Ellinor getauft, doch allezeit Suellen genannt, und nach einiger
Zeit erschien Carreen, die unter dem Namen CarolineIrene in die Familienbibel
eingetragen wurde. Dann kamen drei kleine Jungen, die alle drei starben, ehe
sie laufen gelernt hatten, und nun unter den knorrigen Zedern, hundert Schritt
vom Hause entfernt, auf dem Friedhof lagen, unter drei Steinen, deren jeder die
Aufschrift »Gerald O'Hara jun.« trug.
    Von dem
Tage an, da Ellen auf Tara einzog, verwandelte es sich. Mit ihren fünfzehn
Jahren war sie bereit und imstande, die Verantwortung einer Plantagenherrin auf
sich zu nehmen. Vor der Heirat mußten junge Mädchen vor allen Dingen anmutig,
schön und lieb, eine Zierde sein; nach der Heirat sollten sie plötzlich einen
Haushalt führen können, der hundert Köpfe und darüber zählte, weiße und
schwarze. Für diese Aufgaben wurden sie erzogen. Ellen hatte die Vorbereitung
auf die Ehe bekommen, wie jede wohlerzogene junge Dame sie erhielt, und
obendrein hatte sie Mammy zur Seite, die dem tolpatschigsten Neger Anstand
beizubringen wußte. Sie brachte rasch Ordnung, Würde und Anmut in Geralds
Haushalt und machte Tara so schön wie nie zuvor.
    Das Haus
war ohne jeden Bauplan errichtet, neue Räume waren angebaut worden, wann und wo
es bequem war, aber unter Ellens aufmerksamer Fürsorge gewann es einen Reiz,
der für seine Planlosigkeit entschädigte. Die Zedernallee, die von der
Hauptstraße nach dem Hause führte und bei keinem Heim eines georgianischen
Pflanzers fehlen durfte, erhöhte mit ihrem kühlen, dunklen Schatten die
freundliche Wirkung anderen Grüns.
    Die
Glyzinien, die von den Veranden herabflossen, hoben sich farbig von dem weißen
Putz ab und vereinten sich mit dem rosa Krepp der Myrtensträucher neben der
Haustür und dem weißen Blütenmeer der Magnolien auf dem Parkrasen, um die
ungeschickten Linien im Umriß des Hauses auf das schönste zu verkleiden.
    Im
Frühling und Sommer bekamen das Bermudagras und der Klee auf dem Rasen einen so
berückenden Smaragdschimmer, daß die Truthühner und weißen Gänse, die
eigentlich hinter dem Hause bleiben sollten, unwiderstehlich davon angelockt
wurden. Unentwegt fühlten sich die Anführer des Geflügels verstohlen nach vorn
vor. Das grüne Gras, die schmackhaften Verheißungen der Jasminknospen und
Zinnienbeete verführten sie immer aufs neue. Vor der Haustür stand ein
Negerjunge Schildwache, um ihren Plünderungen Einhalt zu tun. Der Kleine, der
mit einem zerfetzten Handtuch bewaffnet auf den Stufen saß, gehörte mit zu dem
Bild von Tara. Die Waffe war reichlich unwirksam, denn es war ihm verboten,
damit nach dem Hühnervolk zu schlagen; er durfte nur mit dem Tuch wedeln und
die Hühner wegscheuchen. Ellen betraute Dutzende von kleinen Schwarzen mit
dieser Aufgabe, der ersten verantwortlichen Stellung eines Sklaven auf Tara.
Nach Vollendung ihres zehnten Jahres wurden sie zu dem alten Väterchen, dem
Plantagenschuster, in die Lehre geschickt, oder zu Amos, dem Stellmacher und
Zimmermann, oder zu dem Kuhhirten Philippe, oder zu dem Maultierpfleger Cuffee.
Wenn sie für keins dieser Gewerbe Begabung zeigten, so wurden sie Ackerknechte
und hatten damit nach Auffassung der Neger ein für allemal jeden Anspruch auf
eine gehobene Stellung verloren.
    Ellens
Leben war weder leicht, noch war es glücklich. Mühelosigkeit erwartete sie vom
Leben nicht, und daß ihm das Glück fehlte, war Frauenlos. Die Welt gehörte dem
Mann, und so nahm sie sie hin. Dem Mann gehörte der Besitz, die Frau hatte ihn
zu verwalten. Waren Haus und Plantage gut aufgezogen, so hatte der Mann die
Ehre, und die Frau lobte seine Geschicklichkeit. Der Mann brüllte wie ein
Stier, wenn er einen Splitter im Finger hatte, und die Frau erstickte jedes
Stöhnen bei der Geburt, damit es ihn nicht störe. Die Männer waren grob in
ihren Worten und oftmals bezecht. Die Frauen überhörten anstößiges Reden und
brachten die Trunkenbolde ohne ein Wort der Bitterkeit zu Bett. Die Männer
sagten barsch und unverblümt ihre Meinung, die Frauen waren immer freundlich,
gütig und verzeihend. Ellen war in den Traditionen vornehmer Damen erzogen
worden, die sie gelehrt hatten, ihre Last zu tragen, ohne von ihrem
persönlichen Zauber etwas einzubüßen, und sie wollte auch ihre drei Töchter zu
vornehmen Damen machen.

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