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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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weiteren Worte bedurfte. Mammy
verstand und schwieg. In ihr hatte Scarlett einen Helfer gefunden, der die
Dinge noch nüchterner ansah als sie selbst. Aus den rot geäderten weisen alten
Augen blickte sie tief und klar - unbeirrbar wie nur der Wilde oder das Kind es
vermag, und keinerlei Gewissen focht sie an, wenn ihrem Liebling eine Gefahr
drohte. Scarlett war ihr Baby, und was Baby wollte, dazu verhalf Mammy ihm
gern, auch wenn es jemand anderem gehörte. Suellens und Franks Rechte kamen ihr
nicht in den Sinn. Scarlett war in Not, und Scarlett war Miß Ellens Tochter.
    Mammy
trat, ohne einen Augenblick zu zögern, auf ihre Seite.
    Scarlett
spürte die stumme Verstärkung, und als der heiße Ziegelstein ihr die Füße
wärmte, loderte die Hoffnung hoch auf, die auf dieser kalten Heimfahrt nur matt
geglommen hatte. Ein neues lebhaftes Kraftgefühl durchpulste sie mit gewaltigen
Schlägen.
    »Gib mir
den Spiegel, Mammy«, sagte sie.
    »Bleib mit
den Schultern unter der Decke!« befahl Mammy und reichte ihr den Handspiegel
mit einem Lächeln auf den Lippen.
    Scarlett
schaute sich an. »Ich bin weiß wie ein Gespenst, und mein Haar ist struppig wie
ein Pferdeschwanz.«
    »Du siehst
nicht so hübsch aus, wie du kannst.«
    »Regnet es
noch?«
    »Das weißt
du doch.«
    »Einerlei,
du mußt für mich in die Stadt.«
    »Nicht,
wenn es so gießt.«
    »Doch,
sonst gehe ich selbst.«
    »Was gibt
es denn so Eiliges? Ich finde, du hast heute genug getan.«
    »Du mußt
mir«, sagte Scarlett und betrachtete sich sorgfältig im Spiegel, »eine Flasche
Kölnisch Wasser holen. Du sollst mir das Haar waschen und es mit Kölnisch
Wasser spülen. Und kaufe Quittensamengelee zum Glätten.«
    »Bei dem
Wetter wasche ich dir nicht das Haar, und du gießt dir kein Kölnisches Wasser
auf den Kopf wie ein flottes Frauenzimmer, nicht, solange ich noch Atem in mir
habe.«
    »Sieh in
meinem Portemonnaie nach, hol das Fünfdollarstück heraus und gehe damit in die
Stadt. Und da du doch einmal in der Stadt bist, könntest du mir auch ein
Töpfchen Rouge mitbringen.«
    »Was ist
das?« fragte Mammy argwöhnisch.
    Scarlett
begegnete ihrem Blick mit einer Kälte, die sie durchaus nicht empfand.
»Einerlei, fordere es.«
    »Ich kaufe
nichts, wenn ich nicht weiß, was es ist.«
    »Farbe ist
das, fürs Gesicht. Steh nicht so da und bläh dich auf wie eine Kröte. Geh
jetzt.«
    »Farbe!«
platzte Mammy heraus. »Farbe fürs Gesicht! Du bist ja jetzt so groß, daß ich
dir keinen Klaps mehr geben kann. Aber so empört bin ich mein Lebtag noch nicht
gewesen, du hast wohl den Verstand verloren! Miß Ellen dreht sich noch im Grabe
um. Willst du dir das Gesicht anmalen wie so eine ...«
    »Du weißt,
daß auch Großmama Robillard sich das Gesicht malte.«
    »Ja, und
nur einen Unterrock trug und ihn durch Wasser zog, damit er klebte und die
Beine zeigte, aber das heißt noch nicht, daß du es auch darfst. Die Zeit war
schamlos, als die alte Miß Robillard jung war, aber die Zeiten ändern sich,
jawohl ...«
    »Himmel
noch einmal!« Scarlett fuhr aus dem Bett und warf die Decke zurück. »Du kannst
schnurstracks nach Tara zurückfahren!«
    »Du kannst
mich nicht zurückschicken, wenn ich nicht will«, rief Mammy hitzig. »Ich bleibe
einfach hier, und geh du wieder zu Bett, und willst du dir jetzt gerade eine
Lungenentzündung holen, und leg das Korsett hin, und bei diesem Wetter gehst du
nirgends hin, Miß Scarlett! Herrgott, siehst du deinem Vater ähnlich! Marsch
ins Bett, Farbe kann und will ich dir nicht kaufen, und ich sterbe ja vor
Scham, wenn alle wissen, was für eine du bist, Miß Scarlett, du siehst so süß
und hübsch aus, du brauchst dich nicht anzumalen, nur schlechte Weiber brauchen
solches Zeug!«
    »Sie
erreichen auch etwas damit.«
    »Jesus
hör' einer an. Sag nicht so etwas Schlechtes, und laß die nassen Strümpfe
liegen, und ich will es nicht haben, daß du dir solches Zeug selber kaufst,
dann erscheint mir Miß Ellens Geist. Kriech wieder ins Bett, ich gehe schon,
vielleicht finde ich einen Laden, wo sie uns nicht kennen.«
     
    Abends bei
Elsings, als Fanny glücklich getraut war und der alte Levi und seine Musikanten
die Instrumente zum Tanz stimmten, blickte Scarlett fröhlich umher. Es war so
aufregend, wieder auf einer Gesellschaft zu sein. Sie freute sich, wie herzlich
sie aufgenommen worden war. Als sie an Franks Arm ins Haus trat, hatte sich
alles mit Freudenrufen auf sie gestürzt, sie geküßt und ihr die Hand
geschüttelt und

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