Margaret Mitchell
denn sonst
... «
Plötzlich
hielt er inne, und sie schwiegen beide. Er faßte die Zügel, schnalzte dem Pferd
und unterhielt sich ruhig weiter mit ihr, und während ihr seine weiche Mundart
ins Ohr drang, schwand allmählich das Rot aus ihrem gesenkten Gesicht.
»Ich hätte
nicht geglaubt, daß Sie sich daran stoßen könnten, Scarlett. Ich hätte Sie für
eine vernünftige Person gehalten und bin enttäuscht. Ist es denn möglich, daß
Sie in Ihrem Herzen immer noch so verschämt sind? Ich fürchte, nun bin ich
wirklich kein Gentleman mehr, weil ich davon gesprochen habe. Ich weiß, ich bin
kein Gentleman, da mir schwangere Frauen nicht so peinlich sind, wie es sich
gehört. Es ist mir durchaus möglieh, sie als normale Menschen zu betrachten,
ohne zu Boden oder zum Himmel oder sonst irgendwohin ins Weltall zu starren,
nur um ihre Taille nicht zu sehen, sie aber dann mit jenem verstohlenen Blick
zu verfolgen, den ich immer für ungemein unanständig gehalten habe. Warum auch,
es ist doch ein ganz natürlicher Zustand. Die Europäer sind darin viel
vernünftiger als wir. Sie wünschen werdenden Müttern Glück zu dem, was sie
erwarten. Wenn ich auch nicht gerade so weit gehen will, so finde ich es doch
immerhin vernünftiger als unsere Art, krampfhaft darüber hinwegzusehen. Es ist
ein Naturzustand, und die Frau sollte stolz darauf sein und sich nicht hinter
verschlossenen Türen verstecken, als hätte sie ein Verbrechen begangen.«
»Stolz?«
Es klang wie ein erstickter Schrei. »Stolz ... ach!«
»Sind Sie
denn nicht stolz darauf, ein Kind zu bekommen?«
»Du lieber
Gott, nein! Ich hasse kleine Kinder!«
»Sie
meinen Franks Kind?«
»Einerlei,
wessen Kind!«
Einen
Augenblick wurde ihr wieder übel, da sie abermals einen Fauxpas begangen hatte,
Rhett aber redete leichthin weiter, als hätte er es nicht bemerkt.
»Da bin
ich anders. Ich habe kleine Kinder gern.«
»Gern?«
Das Wort erstaunte sie so, daß sie ihre Verlegenheit ganz vergaß. »Was sind Sie
doch für ein Lügner!«
»Ich habe
Babys gern und kleine Kinder auch, bis sie heranwachsen und die
Denkgewohnheiten der Großen annehmen mitsamt ihrer Fähigkeit zu lügen, zu
betrügen und sich gemein zu benehmen. Das kann Ihnen doch nicht neu sein. Sie
wissen doch, wie gern ich Wade Hampton habe, wenn er auch nicht ganz der Junge
ist, wie er sein sollte.«
»Das ist
wahr«, dachte Scarlett plötzlich verwundert. Er hatte wirklich Freude daran,
mit Wade zu spielen, und brachte ihm oft Geschenke mit.
»Da wir
uns nun endlich offen über dieses schreckliche Thema ausgesprochen haben und
Sie zugeben, daß Sie ein Kind erwarten, will ich Ihnen etwas sagen, was ich
Ihnen schon seit Wochen habe sagen wollen ... zweierlei. Erstens ist es
gefährlich für Sie, allein zu fahren. Das wissen Sie auch. Es ist Ihnen oft
genug gesagt worden. Wenn es Ihnen persönlich auch einerlei ist, ob Sie einmal
vergewaltigt werden oder nicht, so müssen Sie sich doch die Folgen überlegen.
Mit Ihrem Eigensinn können Sie sich in die Lage bringen, die unsere tapferen
Mitbürger dann zwingen würde, Sie zu rächen und ein paar Schwarze aufzuhängen.
Damit aber schaffen sie sich wieder die Yankees auf den Hals, und einer von
ihnen muß sicher daran glauben. Sind Sie nie auf den Gedanken gekommen, daß die
Damen Sie vielleicht auch deshalb nicht mögen, weil Ihr Betragen ihre Ehemänner
und Söhne an den Galgen bringen kann? Wenn der Ku-Klux-Klan noch mehr unter den
Negern aufräumt, nehmen die Yankees Atlanta so hoch, daß Sherman der Stadt noch
wie ein Engel vorkommen wird. Ich weiß, was ich sage. Ich bin doch mit den
Yankees auf du und du. Schmählich zu sagen, aber sie behandeln mich wie einen
der Ihren und reden offen mit mir. Sie wollen den Ku-Klux-Klan vernichten, und
wenn sie die ganze Stadt auf einmal abbrennen und jeden zehnten Mann aufhängen
müßten. Das könnte unangenehm werden für Sie, Scarlett, dann könnten Sie Ihr
Geld verlieren, und man kann nie wissen, wo ein Präriebrand aufhört, wenn er
einmal angefangen hat. Vermögenseinziehung, Steuererhöhung, Geldstrafen für
verdächtige Frauen, von allem ist die Rede gewesen. Der Ku-Klux ... «
»Kennen
Sie irgendeinen vom Ku-Klux-Klan? Ist Tommy Wellburn, Hugh oder ... «
Er zuckte
die Achseln. »Woher soll ich das wissen? Ich bin ein Überläufer und Gesinnungslump.
Ich hänge mein Mäntelchen nach dem Winde. Meinen Sie, ich erfahre so etwas?
Aber ich weiß von Männern, die den Yankees verdächtig sind. Eine
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