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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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ohne
ihren Beistand wäre er ohne Zweifel zu Boden gefallen. Ihnen folgte der Yankee-Hauptmann;
halb argwöhnisch, halb belustigt stand er in der offenen Tür, seine Leute
schauten ihm neugierig über die Schultern. Der kalte Wind fegte durchs Haus.
    Scarlett
blickte entsetzt und ratlos zu Melanie hinüber und wieder zurück auf Ashleys zusammensinkende
Gestalt, und allmählich ging ihr ein Licht auf. Fast hätte sie ausgerufen: »Er
kann doch unmöglich betrunken sein!« Aber sie biß sich rechtzeitig auf die
Zunge. Ihr wurde klar, daß sie einer Komödie zusah, einer verzweifelten
Komödie, bei der es um Leben und Tod ging. Sie selbst hatte keine Rolle darin,
auch Tante Pitty nicht, aber alle anderen; sie warfen sich die Stichworte zu
wie Schauspieler in einem oft geprobten Stück. Sie begriff nur die Hälfte, aber
gerade genug, um den Mund zu halten.
    »Setzen
Sie ihn auf den Stuhl!« befahl Melanie entrüstet, »und Sie, Kapitän Butler,
verlassen Sie sofort mein Haus! Wie können Sie sich unterstehen, sich hier
blicken zu lassen, nachdem Sie ihn wieder in solchen Zustand versetzt haben?«
    Die Männer
ließen Ashley auf einen Schaukelstuhl nieder. Rhett taumelte, griff nach der
Stuhllehne, um nicht zu fallen, und redete den Hauptmann in schmerzlichem Ton
an: »Das ist nun mein Dank, da hörst du es, das habe ich davon, daß ich ihm die
Polizei vom Hals gehalten und ihn nach Hause gebracht habe, trotz all seinem
Gegröle und Gekratze!«
    »Und Sie,
Hugh Elsing, schämen Sie sich nicht? Was wird Ihre arme Mutter sagen? Betrunken
und mit einem Yankeeknecht und Gesinnungslumpen wie Kapitän Butler unterwegs.
Ach, und Mr. Wilkes, wie können Sie so etwas tun?«
    »Melly,
ich bin gar nicht so furchtbar betrunken«, lallte Ashley, und bei diesen Worten
fiel er vornüber und lag mit dem Gesicht auf dem Tisch, den Kopf auf den Armen.
    »Archie,
bringen Sie ihn in sein Zimmer und stecken Sie ihn ins Bett ... wie
gewöhnlich!« befahl Melanie.
    »Tante
Pitty, bitte mach schnell sein Bett zurecht und ... oh, oh, oh«, plötzlich
brach sie in Tränen aus. »Wie konnte er nur! Er hatte mir doch versprochen ...
«
    Archie
hatte Ashley schon untergefaßt, und Pitty war erschrocken und unentschlossen
aufgestanden, als der Hauptmann einschritt.
    »Fassen
Sie ihn nicht an, er ist in Haft. Feldwebel!«
    Als der
Feldwebel ins Zimmer trat, das Gewehr schußbereit, legte Rhett, sichtlich
bemüht, geradezustehen, dem Hauptmann die Hand auf den Arm. »Tom, weswegen
nimmst du ihn denn wieder fest, so furchtbar betrunken ist er gar nicht. Ich
habe ihn schon schlimmer gesehen.«
    »Zum
Teufel mit der Trunkenheit«, fluchte der Hauptmann. »Meinetwegen kann er auch
im Rinnstein liegen. Ich bin kein Polizist. Er und Mr. Elsing sind verhaftet
wegen Beteiligung an einem Überfall des Klans auf Shantytown heute abend. Ein
Neger und ein Weißer sind dabei umgekommen. Mr. Wilkes war der Anführer.«
    »Heute
abend?« Rhett fing an zu lachen. Er lachte so laut, daß er sich auf das Sofa
setzte und den Kopf in die Hände barg. »Doch nicht heute abend, Tom?« sagte er,
als er wieder sprechen konnte: »Die beiden sind ja mit mir zusammen gewesen,
die ganze Zeit seit acht Uhr, als sie in der Versammlung sein sollten.«
    »Mit dir,
Rhett? Aber ... « der Hauptmann runzelte die Stirn und schaute unsicher auf den
schnarchenden Ashley und seine weinende Frau. »Aber wo seid ihr denn gewesen?«
    »Das mag
ich nicht sagen«, erwiderte Rhett und warf Melanie den schlauen Blick eines
Betrunkenen zu.
    »Sag es!«
    »Komm mit 'raus auf die Veranda,
da sag ich es dir.«
    »Du sollst es mir jetzt sagen.«
    »Es ist
mir peinlich vor den Damen. Wenn die Damen aus dem Zimmer gehen möchten ... «
    »Ich
bleibe hier«, Melanie trocknete sich zornig die Augen mit dem Taschentuch. »Ich
habe ein Recht, es zu erfahren. Wo ist mein Mann gewesen?«
    »In Belle
Watlings Freudenhaus«, sagte Rhett und machte ein betretenes Gesicht. »Er war
da und Frank Kennedy und Hugh und Dr. Meade und noch eine ganze Gesellschaft.
Ein großes Fest haben sie gegeben, sehr fein, Sekt, Mädchen ... «
    »Bei ...
bei Belle Watling?« Melanies Stimme stieg in solche Höhe, daß sie brach. Es
klang so herzzerreißend, daß alle sie entsetzt anschauten. Sie griff sich mit
der Hand an die Brust, und ehe Archie sie auffangen konnte, war sie ohnmächtig
hingesunken. Ein allgemeines Durcheinander folgte, Archie hob sie auf, India
lief in die Küche und holte Wasser, Pitty und Scarlett fächelten

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