Margaret Mitchell
noch
nie in Ohnmacht gefallen.«
»Nun, es
schaden gar nichts, wenn du das ab und zu tun«, riet Mammy. »Du manchmal viel
zu derb, ich dir schon immer sagen wollen, es macht keinen guten Eindruck, daß
du bei Schlangen und Mäusen und dergleichen nie in Ohnmacht fallen, nicht
gerade zu Hause, aber doch wenn du ausgehst, und ich haben dir immer wieder ...
«
»Still.
Ich bekomme schon einen Mann, du wirst sehen, auch wenn ich nicht quieke und
ohnmächtig werde. Du meine Güte, sitzt das aber fest! Nun zieh mir das Kleid
an.«
Mammy ließ
behutsam die zwölf Meter grünen, geblümten Musselins über die gewaltigen Unterröcke
fallen und hakte die enge, tief ausgeschnittene Taille zu.
»Daß du
mir aber den Schal um die Schultern behältst, wenn du in die Sonne gehst, und
den Hut nicht abnimmst, wenn du heiß bist«, befahl sie. »Sonst kommst du braun
nach Hause wie der alte Slattery, aber nun essen, mein Lämmchen, aber nicht zu
schnell, es haben keinen Zweck, wenn alles gleich wieder rauskommen.«
Scarlett
setzte sich gehorsam zum Essen und wußte nicht recht, wie etwas in ihren Magen
gelangen und ihr dann noch Platz zum Atmen bleiben könnte. Mammy nahm ein
großes Handtuch vom Waschtisch, band es Scarlett vorsichtig um den Hals und
breitete den weißen Stoff über ihren Schoß. Scarlett fing mit dem Schinken an,
weil sie gern Schinken aß, und schluckte ihn mit Mühe hinunter.
»Ach Gott,
wäre ich doch erst verheiratet«, seufzte sie bitter, als sie sich mit
Widerwillen an die Bataten machte. »Ich habe es satt, ewig dies unnatürliche
Wesen und daß ich nie tun darf, was ich will. Ich habe keine Lust mehr, so zu
tun, als äße ich nicht mehr als ein Vögelchen, zu gehen, wenn ich lieber liefe,
und zu behaupten, mir wäre nach dem Walzer schwindelig, wenn ich doch zwei Tage
lang weitertanzen könnte, ohne müde zu werden. Ich habe keine Lust mehr, jedem
Schafskopf, der nicht mal so viel Verstand hat wie ich, zu sagen: >Sie sind
wirklich fabelhaft<, und immer so zu tun, als wüßte ich nichts, so daß die
Männer mir von allem möglichen erzählen können und sich dann noch wichtig
vorkommen ... Nun kann ich aber keinen Bissen mehr essen!«
»Nimm von
dem heißen Kuchen«, mahnte Mammy unerbittlich.
»Warum muß
ein Mädchen immer so albern sein, wenn es einen Mann haben will?«
»Ich mir
denken, weil die Männer nicht wissen, was sie wollen, sie wissen nur, was sie
sich einbilden, daß sie wollen, und wenn man ihnen ihren eingebildeten Willen
tut, spart das einem einen ganzen Haufen Unglück und man nicht alte Jungfer,
sie bilden sich ein, sie brauchen dumme kleine Mäuschen mit dem Geschmack wie
ein Vögelchen und ohne allen Sinn und Verstand, einem Mann vergeht die Lust,
eine Dame zu heiraten, wenn er Verdacht hat, sie sein am Ende verständiger als
er.«
»Aber
glaubst du nicht, die Männer wundern sich nach der Heirat, wenn sie merken, daß
ihre Frauen doch Verstand haben?«
»Dann ist
es eben zu spät, dann sind sie schon verheiratet. Außerdem, von ihren Frauen
erwarten die Herren, daß sie Verstand haben.«
»Später
tu' ich doch, was ich will, und sage ich, was ich will, und wenn die Leute das nicht
mögen, ist es mir gleichgültig.«
»Nein, das
tust du nicht«, schalt Mammy. »Nicht, solange ich noch atmen, nun ißt du deinen
Kuchen, tunk ihn in die Sauce, mein Liebling.«
»Die
Mädchen bei den Yankees benehmen sich gar nicht wie die Schäfchen. Voriges Jahr
in Saratoga habe ich viele gesehen, die sich ganz so betrugen, als wenn sie
richtig ihren Verstand hätten, und das in Gegenwart von Männern!«
Mammy
schnaubte verächtlich.
»Yankeemädchen,
jawohl, die werden vielleicht reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen, aber ich
nicht gesehen, daß ihnen in Saratoga viele Anträge gemacht werden.«
»Aber
Yankees müssen doch auch heiraten«, verteidigte sich Scarlett. »Die wachsen
doch nicht einfach wie Gras. Sie müssen doch auch heiraten und Kinder kriegen.
Es gibt doch so viele.«
»Die
Männer, sie heiraten des Geldes wegen«, sagte Mammy unerschütterlich.
Scarlett
tauchte den Kuchen in die Sauce und aß. Vielleicht war doch etwas an dem, was
Mammy sagte, denn Ellen sagte dasselbe, nur in zarteren Worten. Die Mütter all
ihrer Freundinnen prägten ihren Töchtern die Notwendigkeit ein, vor der Welt
hilflose, schmiegsame Geschöpfe mit sanften Rehaugen zu sein. Es gehörte
wirklich viel dazu, solche Pose beizubehalten. Vielleicht war sie wirklich zu
derb
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