Margaret Mitchell
über die sie sich nicht den Kopf zerbrach. Mit einer solchen
Lage war sie schon fertig geworden, und es würde ihr wieder gelingen.
Wie sie da
im dämmerigen Mondenschein in ihrem Bett lag, stellte sie sich die ganze Szene
vor. Sie sah sein Gesicht, überrascht, in Glück erstrahlen, wenn er begriff,
daß sie ihn wirklich liebte. Sie hörte ihn fragen, ob sie seine Frau werden
wollte.
Natürlich
mußte sie dann erwidern, daß sie überhaupt gar nicht daran denken könne,
jemanden zu heiraten, der mit einem anderen Mädchen verlobt sei, aber dann
würde er darauf bestehen, und schließlich wollte sie sich überreden lassen. Und
dann würden sie beschließen, noch denselben Nachmittag nach Jonesboro
durchzugehen und ...
Wahrhaftig,
morgen abend um diese Zeit war sie vielleicht schon Frau Ashley Wilkes!
Sie setzte
sich im Bett auf, umfaßte ihre Knie und war eine lange, glückliche Weile
wirklich Frau Ashley Wilkes - Ashleys Braut! Dann überkam sie ein leiser
Schauder. Wenn es nun nicht so gehen würde? Wenn Ashley sie nun nicht
entführte? Entschlossen schlug sie sich den Gedanken aus dem Sinn.
»Daran
will ich nicht denken«, sagte sie fest, »sonst komme ich aus dem Gleichgewicht.
Ich sehe gar keinen Grund dazu, daß es nicht so gehen sollte, wie ich will -
wenn er mich liebt. Und ich weiß es, daß er mich liebt!«
Sie hob
das Kinn, die grünen Augen funkelten im Mondlicht. Ellen hatte ihr nie gesagt,
daß Begehren und Erlangen zweierlei sei. Das Leben hatte sie noch nicht
gelehrt, daß nicht immer der Schnellfüßigste das Rennen gewinnt. Da lag sie im
silbrigen Dunkel und faßte neuen Mut, schmiedete Pläne, wie eben eine
Sechzehnjährige sie schmiedet, wenn das Leben so schön ist, daß eine Niederlage
unmöglich scheint; wenn ein hübsches Kleid und ein schöner Teint Waffen genug
sind, das Schicksal zu besiegen.
5
Es war
zehn Uhr in der Frühe. Für einen Apriltag war es sehr warm, heller Sonnenschein
strömte durch die blauen Gardinen der breiten Fenster in Scarletts Zimmer
hinein. Die cremefarbenen Wände erglühten in seinem Licht, in den
Mahagonimöbeln schimmerte es wie roter Wein, der Fußboden spiegelte wie Glas,
wo er nicht mit den farbenfrohen Flickenteppichen belegt war. Schon meldete der
georgianische Sommer sich an, vor dessen grimmiger Hitze die Flut des Frühlings
widerstrebend zurückebbte. Balsamische Wärme, schwer vom Duft der Blüten und
der feuchten Erdschollen, drang in den Raum. Durch das Fenster erblickte
Scarlett den prangenden Farbenflor der Narzissen zu beiden Seiten der
kiesbestreuten Auffahrt und die goldige Flut gelben Jasmins, der seine Blütenzweige
wie einen Reifrock zur Erde spreizte. Spottdrosseln und Häher trugen ihre alte
Fehde um den Besitz des Magnolienbaumes unter ihrem Fenster aus. Man hörte ihre
zankenden Stimmen, die schrillen, harten der Häher, das sanfte Klagen der
Spottdrosseln.
Ein so
schöner Morgen rief Scarlett immer ans Fenster, um, die Arme auf das breite
Sims gestützt, die Düfte und Laute von Tara einzusaugen. Heute aber hatte sie
kein Auge für all die Schönheit, sondern nur den Stoßseufzer: »Gottlob, daß es
nicht regnet!« Auf dem Bett lag ihr apfelgrünes Moirekleid mit den maisfarbenen
Spitzenvolants, sauber in eine große Pappschachtel verpackt. Es sollte nach
Twelve Oaks gebracht und zum Tanz angezogen werden; aber Scarlett zuckte nur
die Achseln, als sie es sah. Wenn ihr Plan gelang, so würde sie das Kleid heute
abend nicht anziehen. Längst, ehe der Ball anfing, waren sie und Ashley dann
schon auf dem Wege nach Jonesboro, um zu heiraten. Die lästige Frage war
vielmehr, was sie für das große Gartenessen, das mittags stattfand, anziehen
sollte. Welches Kleid brachte ihre Reize am besten zur Geltung und machte sie
am unwiderstehlichsten? Seit acht Uhr hatte sie Kleider anprobiert und wieder
weggehängt, und nun stand sie mißmutig und unschlüssig in ihrer Spitzenhose,
der Batistuntertaille und drei wogenden, spitzenbesetzten Unterröcken da.
Alles, was sie schon verworfen hatte, lag auf dem Fußboden, auf Bett und
Stühlen um sie her in farbenfrohen Haufen Stoffs und schleifender Bänder.
Das rosa
Organdykleid mit der langen Schärpe kleidete sie zwar gut, aber sie hatte es
erst vorigen Sommer getragen, als Melanie in Twelve Oaks zu Besuch war, und die
hatte es sicher nicht vergessen, war vielleicht sogar boshaft genug, sie daran
zu erinnern. Von dem schwarzen Bombasinkleid mit den Puffärmeln und dem
Stuartkragen hob
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