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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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»Sie
können mir den Buckel herunterrutschen, Missis!« Sie mußte ihn schließlich
demütig um Entschuldigung bitten, um ihn zu besänftigen.
    Nach
Ashleys Mühle ging sie nicht ein einziges Mal, auch nicht ins Holzlager, wenn
sie glaubte, sie würde ihn dort antreffen. Sie wußte, daß er sie mied und daß
ihre beständige Gegenwart bei ihm zu Hause - auf Melanies unentrinnbare
Einladungen hin - ihm eine Qual war. Nie sprachen sie unter vier Augen
miteinander, und dabei verlangte sie verzweifelt danach, ihn nach manchem zu
fragen. Sie wollte wissen, ob er sie nun haßte, sie wollte wissen, was er zu
Melanie gesagt habe; er aber wahrte den Abstand und flehte sie schweigend an,
gleichfalls zu schweigen. Der Anblick seines Gesichts, das unter den
Gewissensbissen gealtert und eingefallen war, machte ihr das Herz noch
schwerer, und obendrein wurmte es sie, daß seine Mühle allwöchentlich mit
Verlust abschloß. Aber auch darüber mußte sie schweigen.
    Seine
Hilflosigkeit allen Dingen gegenüber ärgerte sie. Sie wußte zwar nicht zu
sagen, was er tun sollte, aber sie hatte das Gefühl, irgend etwas müsse er tun.
Rhett hätte ganz gewiß irgend etwas getan. Rhett tat immer etwas, wenn auch das
Verkehrte; und ohne es zu wollen, mußte sie ihn deswegen achten.
    Nachdem
ihr erster Zorn über Rhett und sein schimpfliches Betragen verraucht war, fing
sie an, ihn zu vermissen, und sie vermißte ihn immer mehr, als ein Tag nach dem
andern ohne Nachricht von ihm verging. Aus dem Wirrwarr von Seligkeit und Wut,
Herzweh und verletztem Stolz, in dem er sie zurückgelassen hatte, blieb nichts
als eine tiefe Niedergeschlagenheit übrig, die sie wie mit Krähenflügeln
beschattete. Sie vermißte ihn und den leichten kecken Ton, durch den er sie mit
seinen Geschichten so herzhaft zum Lachen brachte, sein hämisches Grinsen,
welches alle Schwierigkeiten auf ein richtiges Maß einschränkte, und sogar
seine Spöttereien, die sie zu zornigen Gegenhieben reizten. Vor allen Dingen
vermißte sie ihn, weil sie ihm nicht wie sonst alles erzählen konnte. In dieser
Hinsicht war Rhett unübertrefflich. Harmlos und stolz konnte sie ihm berichten,
wie sie die Leute über das Ohr gehauen hatte, und war seines Beifalls sicher.
Wenn sie dergleichen andern gegenüber auch nur flüchtig erwähnte, nahmen sie
sogleich Anstoß daran.
    Sie fühlte
sich vereinsamt ohne ihn und Bonnie. Sie vermißte das Kind schmerzlicher, als
sie es für möglich gehalten hätte. Die letzten bösen Worte, die Rhett ihr wegen
Wade und Ella an den Kopf geworfen hatte, fielen ihr wieder ein, und sie
versuchte, sich in Gesellschaft der Kinder über die leeren Stunden
hinwegzuhelfen. Aber es gelang ihr nicht. Rhetts Worte und die Art, wie sich
die Kinder gegen sie verhielten, öffneten ihr die Augen für eine erschreckend
bittere Wahrheit. Als beide Kinder klein waren, war sie zu beschäftigt mit ihren
Geldangelegenheiten und zu reizbar gewesen, um ihr Vertrauen und ihre Liebe zu
gewinnen. Jetzt aber war es zu spät - oder aber sie besaß nicht die Geduld und
die Weisheit, in ihre kleinen verschwiegenen Herzen einzudringen.
    Ella!
Scarlett sah zu ihrem Verdruß, daß Ella ohne jeden Zweifel ein törichtes Kind
war. Ihr kleiner Geist konnte sich nicht länger mit einem Gegenstand
beschäftigen, als ein Vogel auf einem Ast sitzen blieb, und sogar wenn Scarlett
ihr Geschichten erzählte, schweifte die Kleine kindisch ab und unterbrach sie
mit Fragen, die nicht dazugehörten, und ehe Scarlett eine Antwort finden
konnte, war die Frage schon wieder vergessen. Und Wade? Rhett hatte vielleicht
recht. Der Junge war wirklich bange vor ihr. Das war ihr unverständlich und schmerzte
sie. Warum sollte ihr eigener Junge, ihr einziger Junge Angst vor ihr haben?
Wenn sie ihn auszuforschen suchte, sah er sie nur mit Charles' sanften braunen
Augen an, wand sich vor Verlegenheit und trat von einem Fuß auf den andern. Bei
Melanie dagegen sprudelte er vor Lebendigkeit über und brachte ihr alles was
seine Taschen enthielten, vom Fischköder bis zu alten Bindfäden.
    Es ließ
sich nicht leugnen, daß Melanie mit Kindern umzugehen verstand. Ihr kleiner
Beau war der manierlichste und reizendste Junge in Atlanta. Mit ihm kam
Scarlett weiter als mit ihrem eigenen Sohn, weil der kleine Beau Erwachsenen
gebenüber unbefangen war und ihr unaufgefordert aufs Knie kletterte, sooft er
sie sah. Er war ein schöner blonder Junge, ganz wie Ashley. Wenn nur Wade so
wäre wie Beau! Der Grund dafür, daß

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