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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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dem Kopf auf ihrem Schoß geweint hatte, war
auch Belle Watlings Name gefallen. Aber er liebte doch Scarlett! Darin konnte
sie sich unmöglich geirrt haben. Und selbstverständlich liebte Scarlett ihn.
Was war denn nur zwischen sie getreten? Wie konnten denn Mann und Frau sich
gegenseitig so quälen?
    Bekümmert
nahm Mammy ihre Geschichte wieder auf.
    »Nach
einer Weile kommt Miß Scarlett aus dem Zimmer und ist bleich wie ein Tischtuch,
hat aber die Zähne zusammengebissen und sieht mich da stehen und sagt: >Die
Beerdigung ist morgen, Mammy.< Und dann ist sie an mir vorbei wie ein Geist,
und mir dreht sich aber das Herz um, denn was Miß Scarlett sagt, tut sie auch,
und was Mister Rhett sagt, tut er auch, und er hat doch gesagt, er will sie
totschlagen, wenn sie das tut. Ich bin ganz außer mir, Miß Melly, weil ich
nämlich die ganze Zeit etwas auf dem Gewissen habe, und es drückt mich
schrecklich. Miß Melly, ich habe der kleinen Miß vor dem Dunkeln bange
gemacht.«
    »Ach,
Mammy, das ist doch jetzt ganz einerlei.«
    »Nein,
Missis, das ist es gar nicht, das ist ja die Geschichte. Ich dachte, besser ich
sage es Mister Rhett, weil es mir gar zu schwer auf dem Gewissen liegt, auch
wenn er mich dafür totschlägt, und dann bin ich drinnen, ehe er wieder
abschließen kann, und sage: >Mister Rhett, ich muß etwas beichten.< Da
fährt er herum wie ein Wahnsinniger und schreit: >Raus!< Ach mein Gott,
mein Lebtag bin ich noch nicht so bange gewesen.
    >Ach
bitte, Mister Rhett<, sagte ich, >ich muß es sagen, es bringt mich sonst
um, ich habe der kleinen Miß vor dem Dunkeln bange gemacht.< Den Kopf habe
ich ihm hingehalten, Miß Melly, und gedacht, nun schlägt er mich, aber er sagte
gar nichts. Da sage ich: >Ich habe es ja nicht bös gemeint, aber, Mister
Rhett, das Kind war auch so unvorsichtig, und vor nichts war ihr bange. Und sie
kam immer aus dem Bett, wenn schon alles schlief, und lief barfuß im Hause
herum, und mir war so bange, sie kann sich weh tun, und darum habe ich ihr
gesagt, im Dunkeln sind böse Geister und der schwarze Mann.<
    Und dann,
Miß Melly, wissen Sie was er dann getan hat? Sein Gesicht wird wieder ganz
sanft, er kommt zu mir her und legt mir die Hand auf den Arm, zum erstenmal,
daß er das getan hat, und er sagt: >Sie war doch ein tapferes Kind, nicht
wahr. Vor nichts war ihr bange, nur vor dem Dunkeln.< Und als ich anfange zu
weinen, sagte er: >Mammy, Mammy<, und streichelt mich und sagt:
>Mammy, gräm dich nicht, ich bin froh, daß du es mir gesagt hast, ich weiß,
du hast Miß Bonnie lieb, und darum schadet es auch nichts, nur auf das Herz
kommt es an.< Ja, Missis, das hat mich ein bißchen getröstet, und da habe
ich gewagt, ihn zu fragen: >Mister Rhett, wie wird es denn mit der
Beerdigung?< Da fährt er wie ein Wilder über mich her und schreit:
>Barmherziger Gott, ich dachte, wenigstens du verstehst mich, wenn mich
sonst auch niemand versteht. Glaubst du denn, ich lege mein Kind ins Dunkle, wo
ihm davor so bange ist? Ich höre sie ja jetzt noch schreien, wie damals, als
sie im Dunkeln aufwachte. Es soll ihr nicht bange sein, hörst du?< Miß
Melly, da wußte ich, daß er den Verstand verloren hat. Er hat getrunken und
braucht Schlaf und was zu essen, aber das ist es nicht allein. Er ist richtig
wahnsinnig, und er schiebt mich einfach aus der Tür und sagt: >Pack dich zum
Teufel!<, und da gehe ich hinunter und denke in meinem Kopf, er hat doch
gesagt, es gibt keine Beerdigung, und Miß Scarlett sagt, die Beerdigung ist morgen,
und er sagt, er schlägt sie tot. Und all die Verwandten sind im Hause, und die
Nachbarn gackern schon davon wie die Perlhühner. Und da habe ich an Sie
gedacht, Miß Melly, Sie müssen uns helfen.«
    »Ach, Mammy, wie kann ich mich
denn da hineinmischen!«
    »Wenn Sie es nicht können, wer
kann es dann?«
    »Aber was soll ich nur dabei tun,
Mammy?«
    »Ich weiß
nicht, Miß Melly, aber etwas können Sie sicher tun. Sie können Mister Rhett
zureden, vielleicht hört er ja auf Sie. Er hält soviel von Ihnen, Miß Melly,
und Sie wissen es vielleicht nicht, aber immer wieder hat er gesagt, Sie sind
die einzige vornehme Dame, die er kennt.«
    In großer
Verwirrung stand Melanie auf. Ihr schauderte bei dem Gedanken, Rhett zu
begegnen. Wie sollte sie dem Manne etwas abringen, der vor Schmerz wahnsinnig
war! Das Herz blutete ihr, wenn sie sich vorstellte, daß sie nun in das
hellerleuchtete Zimmer gehen sollte, wo sein geliebtes kleines Mädchen lag. Was
sollte sie tun?

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