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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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während
dieses Wohltätigkeitsfest seinen Gang ging, war ihr Geist emsig beschäftigt,
sich vor sich selbst zu rechtfertigen, eine Aufgabe, die ihr selten schwerfiel.
Alle andern Männer und Frauen schienen ihr wie benebelt von ihrer
Vaterlandsliebe; sie allein, Scarlett O'Hara-Hamilton, hatte den klaren
irischen Verstand, der sich nicht bestechen ließ; aber keiner durfte je die
Nüchternheit ihrer Anschauungen erfahren! Welche Empörung würde es hervorrufen,
wenn sie plötzlich aufs Podium spränge und sagte, der Krieg möge aufhören,
damit sie alle wieder heimkehren und sich um ihre Baumwolle kümmern könnten,
damit es wieder Gesellschaften und Verehrer und blaßgrüne Kleider in Hülle und
Fülle gäbe!
    Für einen
Augenblick blickte sie angewidert und voller Hochmut auf das Treiben rings um
sie her. Ihre Bude war unauffällig gelegen, selten nur kam jemand daran vorbei,
und Scarlett konnte nichts anderes tun als den frohen Schwarm von weitem
betrachten. Melanie, die ihre Mißstimmung bemerkte, sie aber der Sehnsucht nach
Charlie zuschrieb, beschäftigte sich damit, die Waren in ihrer Auslage schöner
zu verteilen, während Scarlett mürrisch in den Saal blickte und sogar an den
vielen Blumen unter den Bildern von Davis und Stephens nichts als Mißfallen
fand. »Wie ein Altar sieht es aus«, dachte sie abfällig. »Die beiden könnten
fast Gott, Vater und Sohn, darstellen!« Erschrocken über ihren eigenen Einfall
bekreuzigte sie sich verstohlen, verfolgte den Gedanken aber doch weiter. Die
Leute machten so viel Wesens von den beiden, als seien sie Heilige, und dabei
waren es doch nur Menschen, und sie sahen nicht einmal gut aus. Natürlich
konnte Stephens nicht dafür, daß er sein Leben lang krank gewesen war; aber
Davis' stolzes Gesicht mit den reinen, scharfgeschnittenen Zügen verdroß sie
wegen seines Ziegenbartes, und sie sah nicht darin die klare kalte Intelligenz,
die die Bürde einer neuen Nation trug. Scarlett fühlte sich nicht glücklich,
denn niemand achtete ihrer. Sie war hier die einzige junge, nicht verheiratete
Frau, die keinen Verehrer hatte. Sie war siebzehn Jahre alt, ihre Füße wollten
tanzen und springen. Sie hatte einen Mann auf dem Friedhof von Oakland liegen
und ein kleines Kind in der Wiege bei Tante Pittypat, und jeder meinte, sie
könnte mit ihrem Los zufrieden sein, und es half ihr nichts, daß ihre Brust
weißer, ihre Taille schlanker, ihre Füße zierlicher waren als bei irgendeinem
anderen Mädchen. Sie war nicht alt genug, um Witwe zu sein, und doch mußte sie
hier in vorbildlicher Witwenwürde sitzen und ihre Stimme dämpfen und ihre Augen
verschämt niederschlagen, wenn Herren an ihre Bude traten. Sie kam sich in dem
heißen schwarzen Taft, der kaum ihre Handgelenke freiließ und bis ans Kinn
zugeknöpft war, wie eine Krähe vor und mußte geduldig zusehen, wie so viele
unscheinbare Mädchen sich gutaussehenden Männern an den Arm hängten. Und alles,
weil Charles die Masern gehabt hatte. Nicht einmal den Heldentod in der
Schlacht war er gestorben, womit sie wenigstens noch hätte prahlen können.
Gereizt stützte sie die Ellbogen auf den Auslagentisch und sah herausfordernd
in die Menge. Was scherte es sie, daß Mammy sie so oft ermahnt hatte, die
Ellbogen nicht aufzustützen, damit sie nicht runzlig würden! Was lag daran,
wenn sie häßlich würden? Wahrscheinlich bekam sie doch nie wieder Gelegenheit,
sie zu zeigen. Begehrlich betrachtete sie die Menge. Maybelle Merriwether ging
am Arm des Zuaven an der nächsten Bude vorbei. Sie trug ein apfelgrünes
Tarlatankleid, übersät von elfenbeinfarbenen Chantillyspitzen, die mit dem
letzten Blockadezug aus Charleston gekommen waren, und protzte so damit, als
hätte sie selbst und nicht der berühmte Kapitän Butler die Blockade
durchbrochen.
    »Wie süß
müßte ich darin aussehen! Sie hat eine Taille wie eine Kuh. Das Grün ist meine
Farbe, meine Augen würden darin ... Warum versuchen Blondinen überhaupt, diese
Farbe zu tragen! Ihre Haut sieht darin grün wie Käse aus. Ach, wenn ich denke,
daß ich die Farbe nie wieder tragen darf, selbst dann nicht, wenn die Trauer
vorüber ist! Dann werde ich altes, verstaubtes Grau und Braun und Lila tragen
müssen. War es nicht ein furchtbarer Unsinn, die ganze Mädchenzeit hindurch zu
lernen, wie man Männer gewinnt, und seine Fähigkeiten dann nur ein oder zwei
Jahre gebrauchen zu dürfen?« Wenn sie über ihre Erziehung unter Ellens und
Mammys Augen nachdachte, so wußte sie, daß

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