MargeritenEngel (German Edition)
meine Tränen jetzt wirklich freie Bahn. Dabei hasse ich es, vor anderen zu heulen. Aber je mehr ich versuche, mich wieder unter Kontrolle zu bringen, desto schlimmer wird es. Merkwürdige Töne verlassen meine Kehle.
»War wohl alles ein bisschen viel heute?«, haucht mir Rik ins Ohr.
Ich bin nicht sicher, ob ich nicke. Im Moment habe ich das Gefühl, weder denken noch sprechen zu können. Ich kann nur heulen, nur dieser Angst in meinem Inneren nachgeben. Ich möchte weg und doch presse ich mich dichter an Rik. Unermüdlich rinnen die Tränen über mein Gesicht. Ich schäme mich dafür, schäme mich, so schwach zu sein.
Rik lässt sich langsam zur Seite fallen und zieht mich mit sich. Er breitet eine Decke über uns aus.
»Es tut mir leid«, sage ich heiser. Ich schniefe.
Rik hält mir ein Taschentuch hin. Verlegen putze ich mir die Nase und wische auch gleich die Tränen über mein Gesicht. Aber ich kann sie nicht aufhalten. Ich bin eine verdammte Heulsuse!
»Es wird alles gut«, flüstert Rik und klingt ein wenig hilflos. Ich hoffe so sehr, dass er recht hat. Aber im Moment kann ich mir das nicht vorstellen.
»Du weißt, dass ich für dich da bin, dass ich dich will. Gott, ich will dich so sehr…«
»Mich will niemand«, nuschle ich.
»Ich bin niemand. Hendrik Niemand«, sagt er so ernst, dass ich den Kopf ein Stück hebe und ihn erstaunt ansehe.
»Ich dachte, du heißt Döblin?«, frage ich verwirrt. Das steht schließlich an seiner Wohnungstür.
»So schnell kann sich das ändern. Jetzt heiße ich Niemand. Gefällt mir auch«, erwidert er grinsend.
Ich schüttle den Kopf und fange an, zu lachen. Dabei komme ich mir ein wenig psychopathisch vor, denn noch immer rinnen ein paar Tränen aus meinen Augen. Lachen und Heulen gleichzeitig. Ich dachte, so was passiert höchstens in einem Liebesfilm.
Rik zieht mich ganz fest in seine Arme. »Lass uns schlafen. Morgen sieht die Welt bestimmt ganz anders aus.« Dann hält er inne und scheint zu überlegen. »Am besten fahre ich noch vor der Arbeit zum Einwohnermeldeamt.«
»Was willst du da?« Ich verstehe kein Wort.
»Namensänderung«, brummt er ernst.
»Idiot.« Ich will ihm gegen den Arm boxen, aber Riks Reflexe sind schneller. Er schnappt meine Hand, öffnet die Finger und verschränkt sie mit seinen eigenen.
»Schlafen«, flüstert Rik und küsst meine Wange.
Eigentlich bin ich mir sicher, dass ich nicht einschlafen kann. Ich lausche seinem Herzschlag.
»Geht's dir besser?«
»Weiß nicht«, erwidere ich ehrlich.
»Mach die Augen zu. Ich pass auf dich auf«, verspricht Rik. Es klingt so ehrlich, dass ich tatsächlich meine Augen schließe.
Kapitel 14
Eine Margerite für dich
Dreizehn Tage ist es her, seit Kevin und ich nicht mehr zusammen sind. Am Anfang war ich wie paralysiert. Ich konnte nicht mehr denken, nicht fühlen, nicht schlafen. Jede Bewegung tat weh. Wie ich die Zeit auf der Arbeit geschafft habe, ist mir immer noch ein Rätsel.
Dann hatte ich Urlaub. Er war schon lange eingetragen gewesen. Eigentlich war es unser Urlaub. Kevin und meiner… Wir wollten ein paar Tage ans Meer fahren. Er hatte mir das kleine Ferienhaus am Computer gezeigt und alles geplant. So wie immer. Ich habe mich darauf gefreut.
So schnell kann es sich ändern. Ich will nicht darüber nachdenken, ob er allein gefahren ist oder ob er bereits einen Ersatz für mich gefunden hat. Stattdessen habe ich das Wohnzimmer renoviert, viel zu viel Geld für kitschige Badezimmeraccessoires ausgegeben und mich mit billigem Wein, Chips und Schokolade vollgestopft.
Ich versuche, ein Gähnen zu unterdrücken, während ich auf die Uhr gucke. Der erste Arbeitstag nach dem Urlaub ist fast vorbei. Die letzten zehn Minuten gehören wie immer Frau Schumann.
»Du siehst müde aus«, begrüßt sie mich, nachdem ich den Kopf durch die Tür gesteckt habe. »Komm herein, Bengt.« Auffordernd winkt sie mit der Hand. Ihr Blick mustert mich kritisch.
Ich zucke mit den Schultern, reibe mir die Augen und lasse mich auf einen Stuhl fallen. Dabei würde ich mich am liebsten in ihr Bett legen. Ich sehe nicht nur müde aus, ich bin müde. Die Tage sind anstrengend gewesen, furchtbar schmerzhaft und vor allem schlaflos.
»Hast du denn alles geschafft?« Sie kommt mit langsamen Schritten auf mich zu und legt mir ihre Hand auf die Schulter. »Es wird bestimmt bald alles wieder gut werden.«
»Bestimmt«, murmle ich. Im Moment ist mein Leben eher weit von gut entfernt.
Frau
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