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Margos Spuren

Margos Spuren

Titel: Margos Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green
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gut.
     
    Um zehn rief er an. Ich holte ihn mit dem Kleinbus ab, und dann fuhren wir zu Ben, weil wir uns ausrechneten, dass wir ihn nur mit einem Überraschungsangriff überreden konnten. Doch selbst als wir unter seinem Fenster »You Are My Sunshine« sangen, riss er bloß das Fenster auf und knurrte uns an. »Vor Mittag mache ich gar nix«, sagte er kategorisch.
    Also fuhren Radar und ich allein. Er erzählte ein bisschen von Angela, wie gern er sie hatte und wie seltsam es war, sich ein paar Monate bevor sie beide an verschiedene Colleges gingen, zu verlieben. Es fiel mir schwer ihm zuzuhören. Ich wollte diese Landkarte. Ich wollte sehen, welche Orte sie markiert hatte. Ich wollte die Reißzwecken wieder in die Wand stecken.
     
    Wir betraten das Gebäude durch das Büro, durchquerten die Bibliothek, sahen uns die Löcher an der Wand im Schlafzimmer an, und dann nahmen wir uns den Andenkenladen vor. Inzwischen hatte ich überhaupt keine Angst mehr. Nachdem wir sichergestellt hatten, dass wir alleine waren, fühlte ich mich beinahe so wohl wie in meinem eigenen Wohnzimmer. Im Fach unter der Vitrine fand ich den Karton mit den Landkarten und Broschüren, den ich am Abend des Schulballs entdeckt hatte. Ich nahm ihn heraus und stellte ihn auf den Kanten des kaputten Glasschaukastens ab. Radar sortierte den Inhalt nach allem, was nach einer Landkarte aussah, und ich faltete die Karten auseinander und suchte nach Einstichlöchern.
    Wir hatten fast den Boden der Kiste erreicht, als Radar eine Schwarzweißbroschüre mit dem Titel FÜNFTAUSEND AMERIKANISCHE STÄDTE herauszog. Die Copyright-Angabe lautete © 1972 Esso. Als ich die Karte vorsichtig auseinanderfaltete und versuchte, die Knicke glatt zu streichen, entdeckte ich in einer Ecke ein Einstichloch. »Das ist sie«, sagte ich aufgeregt. Das Loch war ausgerissen, als hätte jemand in Eile die Karte von der Wand gerissen. Es war eine vergilbte, brüchige Karte der Ver-einigten Staaten, etwa ein Meter mal eins zwanzig groß, die über und über mit möglichen Zielen bedruckt war. Nach ihrem Zustand zu urteilen, hatte Margo die Karte nicht als Wegweiser für uns gedacht – mit ihren übrigen Hinweisen war sie viel sorgfältiger. Hier waren wir über etwas gestolpert, dass sie nicht geplant hatte, und als ich sah, was sie nicht geplant hatte, musste ich wieder daran denken, wie viel sie geplant hatte. Vielleicht, dachte ich, war es das, was sie tat, wenn sie allein hier war, in der Stille, im Dunklen. Sie reiste, ohne sich von der Stelle zu bewegen, wie Whitman im Gras.
    Im Büro fand ich in einem Schreibtisch neben Margos ein paar Reißzwecken, und dann trugen Radar und ich die auseinandergefaltete Landkarte vorsichtig in Margos Zimmer. Ich hielt sie an die Wand, während Radar versuchte die Ecken festzupinnen, doch drei der vier Ecken waren ausgerissen, genau wie drei der fünf Orte. »Ein Stück höher und weiter nach rechts«, sagte er. »Nein, weiter runter. Ja, so. Nicht bewegen.« Irgendwann hatten wir es geschafft, und dann fingen wir an, die Löcher in der Karte mit den Löchern an der Wand abzugleichen. Wir hatten die fünf Punkte schnell gefunden. Allerdings war es bei denen, die ausgerissen waren, unmöglich, den genauen Ort zu ermitteln, was bei einer Landkarte mit über fünftausend Ortsnamen relativ wichtig gewesen wäre. Die Schrift war so winzig und präzise, dass ich mich auf die Teppichrolle stellen und praktisch den Augapfel auf die Karte drücken musste, um auch nur erraten zu können, welche Gegend gemeint war. Radar hatte den Palmtop herausgeholt und schlug die Ortsnamen, die ich vorlas, bei Omnictionary nach.
    Zwei Einstichlöcher waren noch intakt : Einer sah aus wie Los Angeles, auch wenn die Dichte der Ortsnamen in Süd-Kalifornien so hoch war, dass die Buchstaben sich überschnitten. Das andere war Chicago. Dann gab es ein ausgerissenes Loch in New York, das, nach dem Loch in der Wand zu urteilen, einer der fünf Stadtbezirke von New York City war.
    »Passt zu dem, was wir wissen.«
    »Ja«, sagte ich. »Aber wo in New York? Das ist die Frage.«
    »Wir müssen irgendwas übersehen haben«, sagte Radar. »Irgendeinen Standortfaktor. Wo sind die anderen Punkte?«
    »Da ist noch einer im Staat New York, ein ganzes Stück entfernt von New York City. Aber die Städte da oben sind winzig klein. Könnte Poughkeepsie sein oder Woodstock oder der Cat-skill Nationalpark.«
    »Woodstock«, sagte Radar. »Das ist interessant. Sie ist zwar kein

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