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Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stöger
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hin und her schob. Er kaute mit offenem Mund, ließ seinen Blick durch den Speisesaal gleiten, als sauge er die Geschehnisse mit den Augen auf. Ob er meine Oma auch immer so fixiert hatte? Sie war für ihr Alter eine attraktive Frau gewesen, keine Frage. Etwas dünn vielleicht, aber doch recht ansehnlich.
    Vielleicht hatte sie noch mehr Männern im Heim den Kopf verdreht? Eine merkwürdige Vorstellung, aber es war sicher überholt zu denken, im Alter spiele sich da nichts mehr ab. Diese Regung funktionierte bestimmt bis zum Schluss, zumal Oma Martha körperlich alles andere als gebrechlich war.
    Ich fixierte Frau Lachmann. »Das ist eine neidische Schlange«, hatte Oma mir mal erzählt, als wir sie zum dritten Mal beim Spaziergang überholt hatten. Oma Martha und ich zu Fuß, Frau Lachmann mit ihrem Rollator.
    Diese Überholmanöver waren immer ein Grund, höchsten Neid unter den Bewohnern zu erwecken. Spätestens nach der dritten Runde war man sich der hasserfüllten Blicke sicher. Es war eine Art Ehrenkodex, seine guten verwandtschaftlichen Verbindungen nicht zu sehr zur Schau zu stellen.
    Oma Martha hatte sich natürlich nicht daran gehalten. Im Gegenteil, sie hatte immer noch einen draufgesetzt und sich damit gebrüstet, dass sie immer, aber auch immer von mir besucht wurde. Wahrscheinlich war die Sache mit der Weihnachtskrähe eine billige Retourkutsche von der Lachmann gewesen.
    Jetzt fixierte mich die Alte mit ihren Blicken. Wenn sie Pfeile verschießen könnte: Sie würde mich mitten ins Herz treffen wollen.
    Kurz: Frau Lachmann hasste mich. Allein wegen der Spaziergänge mit Oma Martha. Das war in der Tat ein handfestes Motiv. Anderen zu demonstrieren, um wie vieles man bessergestellt war, konnte im Heim nicht ungesühnt bleiben, das war mir auf der Stelle klar. Ich würde mein Hauptaugenmerk auf diese Person lenken.
    Da sich nun alle über die hereingetragenen Spekulatius hermachten, bot sich mir die Möglichkeit, den Speisesaal unauffällig zu verlassen.
    Ich schlenderte den Gang entlang, fuhr mit dem Fahrstuhl zwei Stockwerke nach oben. Jetzt wurde ich von schärferen Gerüchen attackiert. Salmiakartige Ausdünstungen vermischten sich mit dem Duft von Kölnisch Wasser und Tosca zu einer undefinierbaren Geruchsvariation. Für einen Augenblick zog ich in Erwägung, die Ermittlungen wegen der Überforderung meiner Nasenschleimhäute einzustellen, aber das konnte ich nicht tun. Wenn ich ein ruhiges Fest haben wollte, musste Oma Marthas Tod vor Weihnachten aufgeklärt sein. Ich kämpfte mich durch die Geruchsschwaden, die von Zimmer zu Zimmer variierten, lenkte mich ab, indem ich die kleinen geschmückten Tannenbäumchen betrachtete und die vielen Strohsterne, die die Wand zierten.
    Oma Martha hatte ihr Zimmer am Ende des Ganges, dahinter lag nur noch das von Frau Lachmann. Mit ihr teilte sie sich den Balkon.
    Es roch muffig in Omas Zimmer. Vorhin hatte ich nur rasch die Anziehsachen gepackt und in meiner Eile dem Zimmer selbst keine Beachtung geschenkt.
    Überall lagen Bildbände herum. Von Krähen und anderen Vögeln, neben der Balkontür stand eine Tüte mit Vogelfutter. Auf der Anrichte gammelte trockenes Brot vor sich hin. Das Adventsgesteck nadelte bereits, es erschien mir wie ein Vorbote für das, was dann auch geschehen war.
    Mein Blick schweifte zum Fenster. Da saß sie wieder. Die dicke schwarze Krähe. Auf der Brüstung des Balkons. Ich mochte ihre Augen nicht. Sie waren frech, vorwitzig und eine Spur gemein. Krähen können das. So richtig fies schauen.
    Mir kam es vor, als wolle sie mir etwas sagen. Es hatte mit Oma Martha zu tun. Die Krähe hackte im Tannengrün der Balkonbepflanzung herum, zupfte provokativ eine Nadel nach der anderen vom Stengel.
    Dann hüpfte die Krähe auf den Boden des Balkons und hämmerte mit dem Schnabel gegen die Scheibe. Es klang dumpf und in gewisser Weise auch bedrohlich.
    Ich ruderte mit den Armen, fand, dass das Viech dort möglichst rasch verschwinden sollte. Es ließ sich aber nicht von meinem Abschreckungsmanöver beeindrucken, sondern blieb dort sitzen, neigte nur den Kopf ein wenig zur Seite und sah mich an, als wolle es mich ärgern.
    Meine Fäuste näherten sich der Scheibe, stoppten aber kurz davor ab.
    Ich hasste Krähen. Es gibt Menschen, die bezeichnen sie als Todesvögel, als Unglücksbringer.
    Bislang hatte ich das immer für Humbug gehalten, aber wenn ich jetzt an meine tote Oma Martha dachte, an die mysteriösen Umstände ihres Todes, konnte ich mich

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