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Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stöger
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mitzuteilen, dass er gut angekommen ist. Vielleicht ruft er später an. Zur Bescherungszeit. Vor ihr auf dem Tisch lag gut sichtbar ein großes Blatt mit Uwes Urlaubsadresse und Telefonnummer. Und wenn sie jetzt einfach anrief? Aber das wäre bestimmt sehr teuer um diese Zeit.
    Zeit? War die in Südafrika anders? Am Ende käme ihr Anruf völlig ungelegen. Sie wollte auf keinen Fall das Gefühl haben zu stören. Aber es sah Uwe nicht ähnlich, dass er so gar nichts von sich hören ließ. Eigentlich wusste er, dass sie auf seinen Anruf wartete. Auch wenn sie immer so tat, als wäre sie in Eile und hätte viel zu tun. Und jetzt? Der Tag würde lang werden. Sie konnte hier sitzen bleiben und einfach zuschauen, wie es draußen dunkel wurde. Plötzlich durchzuckte sie ein Gedanke. Es gab nur eine Erklärung für den ausbleibenden Anruf: Uwe und Inga waren gar nicht fortgefahren! Sie würden heute zur Bescherung als Überraschungsgäste vor der Tür stehen. »Glaubst du, wir würden dich Weihnachten alleine feiern lassen?«, würden sie sagen und voll beladen mit Lebensmitteln und Päckchen vor der Tür stehen. Sie würden in die Wohnung drängen und frische Winterluft hineinbringen. »Wir wollten dich überraschen, damit du dir keine Umstände machst mit Essen und Geschenken.« Dann würde sie mit leeren Händen dastehen. Das durfte sie nicht zulassen!
    In Versteck Nummer vier fand sie endlich ihre Schmuckschatulle.
Eine alte Brosche für Inga? Das wäre doch bestimmt etwas. Aber stecken sich junge Frauen heutzutage noch Broschen an? Vielleicht doch eher eine Perlenkette? Echte Perlen natürlich. Nein, das wäre zu teuer.
Dann musste sie in einem kleinen Anfall von Wehmut plötzlich daran denken, dass die beiden in nicht allzu ferner Zeit ohnehin alles erben würden. Im Geiste sah sie Inga mit skeptischen Blicken in der Schmuckschatulle wühlen. Schnell wischte sie diesen unguten Gedanken beiseite.
    Und Uwe? Was sollte sie Uwe schenken? Bald war ihr klar, dass das einzige Geschenk, mit dem sie keinen Fehler machen konnte, Bargeld war. 500  Euro für jeden. Knauserig wollte sie nicht sein. Sie würde zur Sparkasse in der Innenstadt fahren und sich das Geld in schönen neuen Fünfzigern auszahlen lassen. Die kleine Filiale, die sie kannte, hatte das in dieser Form vermutlich nicht vorrätig.
    Für die Hinfahrt leistete sie sich ein Taxi, zurück wollte sie mit dem Bus fahren. Sie steckte für den Fahrpreis ein wenig Klimpergeld in die Manteltasche. Herta Göbel war vorsichtig und beachtete alle Ratschläge, die sie in entsprechenden Sendungen für Senioren gesehen hatte. Niemals zum Bezahlen ein Portemonnaie in der Öffentlichkeit aus der Tasche ziehen! Für die Geldscheine von der Sparkasse trug sie einen ledernen Brustbeutel unter ihrem Pelzmantel.
     
    »Die Oma da drüben, die gerade aus dem Taxi steigt, die sieht richtig nach Geld aus«, bemerkte Dimitrij.
    »Ich hab dir schon gesagt, dass ich beim Omarippen nicht mitmache!«, wiederholte Mohamed.
    »Wir werden sie ja gar nicht rippen. Das geht hier, wo so viele Leute sind, sowieso nicht. Die würde wie verrückt kreischen, wenn wir ihre Handtasche auch nur angucken. Wir müssen das anders machen«, entgegnete Dimitrij.
     
    Herta Göbel stand etwas verloren in dem riesigen Atrium der drei Stockwerke hohen Eingangshalle und ließ ihre Blicke umherwandern. Der Innenhof wurde von einem dick verschneiten Glasdach überdeckt. »Alles Verschwendung«, murmelte Herta Göbel vor sich hin. »Was das kostet, einen so hohen Raum zu heizen!« Beim Anblick eines halb geöffneten Fensterflügels schoss ihr plötzlich ein Gedanke durch den Kopf. Hatte sie zu Hause die Terrassentür wieder verriegelt? Angestrengt versuchte sie, sich zu erinnern. Sie war wieder in die Wohnung gegangen, um Meisenknödel zu holen. Und dann? Hatte sie diese aufgehängt und die Tür wieder verschlossen? Sie wusste es nicht. Die Meisenknödel. Wo waren bloß die Meisenknödel? In der Diele im Vorratsschrank. Und dann? Egal, versuchte sie sich zu beruhigen. Jetzt ist erst einmal anderes wichtiger.
    Sie betrachtete die Menschen in der Halle. Alte, junge, hellhäutige, dunkelhäutige. Alle außer ihr schienen genau zu wissen, wohin sie wollten. Sie strömten an ihr vorbei, ohne Notiz von ihr zu nehmen, und Herta Göbel fühlte sich unter diesen vielen Menschen plötzlich viel einsamer als allein im Dämmerlicht ihrer Wohnküche. Misstrauisch musterte sie einen dunkelhäutigen Herrn mit schwarzem, schmalen

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