Maria, Mord und Mandelplätzchen
ausdruckslos an. Auch Johnny war wieder da. Satt und glücklich schien er darunter zu leiden, dass er seinem neuen Freund bei seiner anstrengenden Arbeit nicht helfen konnte.
Der nächste Raum war das ehemalige Arbeitszimmer des Professors. Arbeitszimmer, das klang nach Tresor und großem Schreibtisch. Nach dicken Geldscheinbündeln und kostbaren Münzsammlungen. Alles Mögliche ließ sich in Arbeitszimmern finden. Nicht jedoch hier. Eine kaputte Armbanduhr, ein mit bunten Steinchen besetzter, potthässlicher Brieföffner, ein alter Füllfederhalter, Goldfeder, immerhin. Der würde auf dem Flohmarkt mit etwas Glück zwanzig Euro bringen. Besser als nichts. Johnny schnüffelte und hechelte. Die Katze guckte blöd.
An den Wänden zwei niedere Schränkchen voller verstaubter Aktenordner. In Toms Magen machte sich ein unangenehmes Gefühl breit, ungefähr so leer wie die Geldkassette, die er im Schreibtisch fand. Auch hier hässliche Ölschinken an den Wänden. Weit und breit kein Tresor.
Hinter der nächsten Tür eine dämmrige, langgestreckte Toilette, aus der ihm kalter Mief entgegenwehte. Dann eine Art Bibliothek und ein Fernsehzimmer. Der Fernseher war vor zwanzig Jahren bestimmt mal was wert gewesen. Manche Leute versteckten Bares in Büchern. Aber es waren verdammt viele Bücher, Tausende. Ob der Professor die tatsächlich alle gelesen hatte? Das eine oder andere womöglich selbst geschrieben?
Hoch zum Obergeschoss. Vielleicht hatte er dort mehr Glück. Hoffentlich hatte er dort mehr Glück. Die Katze schien in ihrem Kopf eine genaue Liste zu führen mit den Missetaten, die dieser unsympathische Fremde vor ihren Augen verübte. Und folgte mit sicherem Abstand. Johnny lief schwanzwedelnd voraus und die Treppe hinauf.
Erste Tür links. Ein riesiges Schlafzimmer, früher wohl das Herrenzimmer. Viel dunkles Holz, ein wuchtiger Schrank, ein einsames hohes Bett, eine klotzige Kommode. In der Luft noch ein letzter Hauch von Zigarrenqualm. Und gähnende Leere hinter jeder Tür, in jeder Schublade. Kalt war es. Kalt wie der Tod. Schaudernd zog Tom die schwere Tür wieder ins würdig knackende Schloss, wandte sich um und starrte in die Mündung eines großkalibrigen Revolvers. Das schief grinsende Gesicht dahinter kannte er. Es gehörte dem Nachbarn mit der Halbglatze. Dem aus dem Haus mit den blinkenden Lichterketten.
»Hallo«, sagte der Nachbar, und seine Stimme klang mindestens so kalt wie das Zimmer, das Tom eben durchsucht hatte. »Wie laufen die Geschäfte?«
»Ähm«, erwiderte Tom. »Was?«
Johnny saß neben ihm und knurrte verhalten. Die Katze dagegen freute sich über den Neuankömmling und schnurrte ihm um die Beine. Der Nachbar schubste sie weg, ohne hinzusehen.
»Schon irgendwas gefunden?«
»Was denn gefunden?«
Die Revolvermündung wurde ein wenig größer.
»Stell dich nicht dümmer, als du bist, Freundchen. Ich beobachte seit Wochen, wie du hier rumschnüffelst. War doch sonnenklar, dass du was ausbaldowerst. Es ausgerechnet jetzt zu machen, wenn die alte Hintze in der Kirche hockt, keine dumme Idee. Hätte ich dir gar nicht zugetraut. Nun sag, was hast du Schönes in deinem Rucksack?«
Die Revolvermündung sank ein klein wenig herab, zielte jetzt auf Toms Hals, was sich auch nicht besser anfühlte. Der Typ musste um die fünfzig sein und hatte die Visage eines zielstrebigen, nicht zu Gewissensbissen neigenden Geschäftsmanns. Seine Bewegungen waren sicher und kraftvoll. Trieb vermutlich Sport.
»Nichts«, brachte Tom heraus. »Bisher bloß eine alte Taschenuhr. Kaputt. Und einen Füller.«
»Verarsch mich nicht«, sagte der Nachbar und stupste ihm neckisch die Mündung an die Brust.
»Holen Sie jetzt …«, flüsterte Tom, »holen Sie … die Bullen?«
»Red keinen Scheiß, Junge. Was sollen denn die Bullen hier? Ich weiß, dass hier was zu holen ist. Los, ich helf dir suchen.«
Die Mündung zeigte zur nächsten Tür. Johnny knurrte.
»Sie wollen … ähm?«
»Klar, will ich. Los jetzt. So eine Messe dauert nicht ewig.«
»Sie sehen eigentlich nicht aus, als hätten Sie so was nötig …«
»Fresse halten, weitersuchen. Was ich nötig habe, weiß ich schon selber.«
Gehorsam trottete Tom zur nächsten Tür. Dahinter befand sich das Schlafzimmer der Witwe. Nicht weniger kalt als das des toten Professors. Das Bett sorgfältig gemacht, ein langes weißes Nachthemd ausgebreitet, als wollte die Besitzerin es so bald wie möglich wieder überstreifen. Für einen winzigen Moment fragte
Weitere Kostenlose Bücher