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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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Dieser Mann ist einfach abscheulich, widerlich! Und so etwas nennt sich Kunst!“ echauffierte sich die Frau.
    „Ich finde ihn interessant, Madame, ungewöhnlich, aber durchaus interessant“, sagte Larzac.
    „Ein Genie“, meinte Hoffet.
    „Verrückt, absolut verrückt! Weiter nichts“, stellte eine selbstgerechte ältere Stimme fest.
    „Wer, Picasso?“
    „Nein, Nostradamus aus Salon-de-Provence, der Hellseher!“
    „Verrückt? Na, meine Liebe, wenn Sie sich nur nicht täuschen! Über das Raze, so nannte man früher das Land rund um Rennes-le-Château, wo heute unser tüchtiger Saunière regiert, sagte Nostradamus ganz wundersame Dinge!“
    „Wundersame Dinge? Davon habe ich noch nie gehört!“
    „Doch, er erwähnt das Raze mehr als einmal. Im Jahr 1559 spricht er beispielsweise vom ´geheimnisvollen Raze`, und ein Jahr darauf weist er gar auf den ´großen Tod im Raze` hin.
    „Den großen Tod im Raze? Was meint er damit?“

    Mittlerweile hatten unzählige Feldgrillen und Heimchen die musikalische Ausgestaltung des Abends übernommen. Ach, ich lebe für den Sommer, und Grillen sind die unermüdlichen, unsichtbaren Botschafterinnen der Sonne. Sie gehören zur flimmernden Hitze träger Nachmittage, zum schweren, würzigen Duft des Lavendels und des Thymians, zum kaltem Quellwasser, zum röschen, noch warmen Brot mit gegrilltem Ziegenkäse, zu den saftigen Weintrauben vom eigenen Stock, zum nächtlichen Eintauchen in samtigen Mondschein, zur Zweisamkeit und zu streichelnden Händen. Zur Liebe.
    Ich öffnete die Augen und blickte hinüber zu den beiden. Emmas Glas war noch halbvoll. Sie flüsterte etwas in Bérengers Ohr. Er lachte genüsslich in sich hinein und vermied es sichtlich, zu mir herzusehen. Versteckt zwischen Rosenranken flackerten auf der Terrassenmauer unzählige Öllichter mit den Sternen am Himmel um die Wette. Erneut schloss ich die Augen.
    „Marie!“ hörte ich da Emma rufen. Ich schrak auf, nahm die Flasche aus dem Kübel, lief zu ihr hinüber und schenkte nach. Die Sängerin kicherte, trank dann so gierig, dass ihr der Champagner am Kinn herunterrann. Bérenger warf mir einen kurzen, ein wenig indignierten Blick zu und reichte der Dame sein Taschentuch.
    Die Musiker spielten jetzt wieder, leise, der nächtlichen Stimmung angepasste Weisen.
    Emma jedoch schaffte es mit Leichtigkeit, ihre Instrumente zu übertönen. Plötzlich sprang sie auf und rief laut: „Ich bin entschieden für das Frauenwahlrecht, jawohl! Aber ihr Männer, ihr habt ja nur Angst vor uns!“
    Verlegenes Gelächter ringsumher.
    Die bunten Lampions, die das Gewächshaus illuminierten, bewegten sich sanft in der lauen Nachtluft. Der Comte, ein wirklich witziger Mann, um den sich einige Damen scharten, erzählte lautstark von einer Frau, die erfolglos versucht hatte, ihren Mann mit dem Saft des Stechapfels zu vergiften, weil dieser eine andere liebte und die Unglückliche verlassen wollte. Währenddessen begann Emma plötzlich, sich völlig ungeniert an Bérenger heranzumachen. Als ich merkte, dass die Blicke der Gäste, denen ich gerade nachschenkte, in eine bestimmte Richtung gingen, drehte auch ich mich um. Emma hing an Bérengers Hals und versuchte, ihn zu küssen. Die Umstehenden lachten verhalten. Bérenger wehrte Emmas Zudringlichkeit vorsichtig ab. Er zog eine amüsierte Grimasse, zuckte dazu hilflos mit den Schultern, so als wollte er den Gästen bedeuten, dass er dafür nun wirklich nichts könne. Mittlerweile war sie aber dazu übergegangen, ihn am Oberschenkel und schließlich dort zu streicheln, wo man als Frau, zumindest in der Öffentlichkeit, einen Mann nicht berühren sollte. Und nun verging sogar dem letzten Gast das Lachen. Es war nur noch peinlich, und das nicht nur für Bérenger. Der Comte hatte mitten im Bericht innegehalten und sperrte den Mund auf vor Überraschung. Andere stupsten sich gegenseitig in die Rippen und sahen, nach einem weiteren verschämt-neugierigen Blick, betreten zu Boden. Bérenger nahm endlich ihre Hand weg und hielt sie eisern fest. Doch Emma gab nicht auf: „Mein schöner Priester – sei doch nicht so verkrampft! Die Nacht ist so herrlich heute. Sieh nur hinauf zu den Sternen! Hast du die Tage auf meinem Schloss schon vergessen? Ich bin für die freie Liebe - und das Frauenwahlrecht!“ rief sie in die Menge. „Hört alle her - tout Paris ist für die freie Liebe!“ – dann, an mich gewandt, die ich wie festgewachsen die abscheuliche Szene beobachtete und nicht daran

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