Marie und die Sache mit Papas neuer Freundin
Bett lag, durften die Tränen herausrollen.
Pläne und Pizza
Es war dunkel, als Marie aufwachte. Ein Blick auf den Wecker zeigte ihr, dass es früher Abend war, halb sechs. Marie lauschte. Sie hörte leise Schritte und Stimmen in der Wohnung. Kamen sie näher? Würde endlich jemand kommen, um nach ihr zu sehen? Oder sollte Marie für immer wie ein Gespenst hier leben, unsichtbar, unansprechbar?
Marie stand auf und knipste das Licht an. Der Schlaf hatte sie erfrischt. Die Tränen waren getrocknet. Marie schüttelte sich und hüpfte ein paarmal auf und ab. Wie ein Boxer ließ sie dabei die Fäuste in die Luft schnellen. Mit jedem Hieb wuchs eine neue Kraft in ihr, sie wurde größer und größer.
»Ich – gebe – nicht – auf«, flüsterte Marie im Takt zu ihren Sprüngen und Boxhieben. »Ich will Papas Geburtstag mit ihm feiern – und mit Judith zur Not auch.«
Also machte Marie sich an die Arbeit. Die Geburtstagsparty würde natürlich hier stattfinden, in ihrem Zimmer, wo Marie alles in Ruhe vorbereiten konnte. Vorhin mit Judith hatte sie sich als Erstes um das Essen gekümmert. Aber wo sollte sie jetzt etwas zu essen herkriegen? Nach unten in die Küche konnte Marie schließlich auf keinen Fall gehen.
Marie durchwühlte ihr Bücherregal, guckte in jede Schublade ihres Schreibtisches und kroch unter das Bett. Endlich fand sie ihre Notration, in zwei einzelne Strümpfe gesteckt, ganz unten in der Sockenschublade. Es waren ein großes Schokoosterei und eine Tüte Gummiwürmer. Damit war der Nachtisch erledigt.
Viel schwieriger gestaltete sich die Hauptspeise, denn Marie hatte keinen Vorrat an Pizza oder Pommes zwischen den Unterhosen verborgen. Aber Pizza konnte man bestellen! Das hatten Marie und Papa schon öfter getan, und sie kannte sogar die Nummer des Bringdienstes auswendig: 19 04 20 03. Das hatte Marie sich gemerkt, weil die Zahlen genau ihren Geburtstag ergaben, den 19. April 2003.
Nun brauchte sie noch zwei Dinge für die Pizza: Geld und ein Telefon. Das mit dem Geld war leicht, schließlich hatte Marie eine Spardose, in die Oma und Elias manchmal – zum Beispiel zum Geburtstag oder für ein gutesZeugnis – etwas hineinsteckten. Beherzt nahm Marie das rosa Schweinchen, sagte »Entschuldigung!« und rammte es auf die Schreibtischkante.
Das Schwein zerbrach glatt in drei Teile. In seinem Inneren fand Marie 43 Euro und 70 Cent. Mehr als genug für ein Abendessen zu dritt!
Aber wie sollte sie beim Pizzadienst anrufen? Das Telefon stand im Wohnzimmer, und dorthin zu gehen war völlig unmöglich. Wenn sie doch nur ein Handy hätte … Marie schlug sich die flache Hand an die Stirn. Sie hatte ein Handy! Oma hatte es ihr zum zehnten Geburtstag geschenkt, aber Elias wollte nicht, dass seine Tochter schon mit einem Mobiltelefon herumlief. Also lag das coole Teil unausgepackt im Bücherregal. Ob es überhaupt noch funktionierte?
Mit zitternden Fingern holte Marie das Handy hervor. Es dauerte eine Weile, bis sie die Bedienungsanleitung so weit verstanden hatte, dass sie das Handy anschalten konnte. Dann wählte sie die Nummer: 19 04 20 03. Doch statt der Stimme des italienischen Pizzabäckers hörte Marie eine freundliche Frau: »Ihr aktuelles Guthaben beträgt null Euro. Bitte laden Sie Ihr Guthabenkonto demnächst wieder auf.«
»Mist!« Marie wühlte wieder in dem Karton herum. Hatte Oma denn nicht gewusst, dass man zum Telefonieren auch Geld brauchte? Da erwischte Marie zwischen all den Papieren und Kabeln und Tütchen eine schmale Karte mit einem Rubbelstreifen. Doch, Oma hatte es gewusst, die liebe! Marie rubbelte die Codenummer frei, tippte sie nach der Anleitung ins Telefon ein und hatte drei Minuten später eine Familienpizza mit allem und zwei Flaschen Cola bestellt.
»Morgen schreibe ich Oma einen Dankesbrief«, versprach Marie sich selbst, »aber jetzt geht es ans Dekorieren.«
Zum Glück hatte Marie gestern erst aufgeräumt und alles gesäubert. Aber Dekoration? Sie machte sich überhaupt nichts aus Tischdecken und Zierkissen und Kerzen und dachte jetzt fast sehnsüchtig an Judith mit ihren Girlanden und Servietten.
»Ich muss wohl alles selbst machen«, beschloss Marie und setzte sich an den Schreibtisch. Sie kramte ein paargroße Bogen Papier hervor und verzierte sie mit Spiralen und Punkten in den buntesten Farben. Daraus schnitt sie Dreiecke, Kreise und Sterne, die sie an eine lange Schnur klebte. Diese spannte sie kreuz und quer durchs
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