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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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bedürfen. »Durch wen oder was genau hat Ihr Mandant denn die Information erhalten – den Eindruck erhalten, sollte ich wohl besser sagen –, daß meine Bank dieses Wunder für ihn vollbringen kann?«
    »Es ist nicht einfach die Bank, Mr. Brue. Es sind Sie persönlich.«
    »Ich habe leider keine Ahnung, wie ich mir das vorstellen soll. Wie gesagt, ich würde gern wissen, wo er seine Information herhat.«
    »Vielleicht von einem Anwalt. Noch einem von meiner Sorte«, fügte sie selbstironisch hinzu.
    Er nahm einen neuen Anlauf. »Und in welcher Sprache, wenn ich das fragen darf, haben Sie Ihrem Mandanten diese Auskunft entlockt?«
    »Über Herrn Lipizzaner?«
    »Über alles. Meinen Namen, um nur ein Beispiel zu nennen.«
    Ihr junges Gesicht war hart wie Stein. »Mein Mandant würde sagen, Ihre Frage ist irrelevant.«
    »Darf ich fragen, ob seine Anweisungen an Sie über irgendwelche Zwischenträger vermittelt wurden? Einen qualifizierten Dolmetscher etwa? Oder können Sie sich mit ihm direkt verständigen?«
    Die Haarsträhne war erneut aus der Baskenmütze entwischt, aber diesmal griff sie danach und wickelte sie sich um den Finger, während sie grimmig im Foyer umhersah. »Russisch«, sagte sie – und mit einem jähen Anflug von Interesse: »Sprechen Sie Russisch?«
    »Passabel. Eigentlich sogar recht gut«, antwortete er.
    Das Bekenntnis schien sie aus der Reserve zu locken, denn sie lächelte und sah ihm zum erstenmal richtig ins Gesicht.
    »Wo haben Sie es gelernt?«
    »Ich? Ach, in Paris, fürchte ich. Völlig dekadent.«
    »Paris! Wie denn das?«
    »Da hat mich mein Vater hingeschickt. Ich konnte es ihm nicht ausreden. Drei Jahre an der Sorbonne und jede Menge bärtige Exildichter. Und Sie?«
    Der Moment der Annäherung war vorbei. Sie kramte in ihrem Rucksack. »Er hat mir eine Nummer gegeben«, sagte sie. »Eine besondere Kennziffer, bei der Herr Lipizzaner gleich Bescheid wissen wird. Und Sie ja vielleicht auch.«
    Sie riß eine Seite aus ihrem Block und gab sie ihm. Sechs Zahlen, handgeschrieben, von ihr selbst, nahm er an. Beginnend mit 77, der Kennzahl der Lipizzaner.
    »Und, paßt sie?« fragte sie und fixierte ihn streng.
    »Wie, paßt sie?«
    »Ist die Nummer, die ich Ihnen gerade gegeben habe, eine Nummer, wie sie bei Brue Frères in Gebrauch ist? Oder ist sie das nicht?« – als spräche sie mit einem störrischen Kind.
    Brue dachte über die Frage nach – oder vielmehr darüber, wie er sie am besten umging. »Sie nehmen es mit Ihrem Berufsgeheimnis sehr genau, Frau Richter, so wie ich auch«, begann er in angeregtem Ton. »Meine Bank macht die Identität ihrer Kunden nicht publik, sowenig wie die Art der Geschäfte, die sie tätigen. Ich bin sicher, Sie haben dafür Verständnis. Wir geben keine Informationen preis, zu deren Preisgabe wir nicht gesetzlich gezwungen sind. Wenn Sie Herr Lipizzaner sagen, nehme ich das zur Kenntnis. Wenn Sie mir eine Kennziffer nennen, schlage ich sie in unseren Unterlagen nach.« Er hielt inne, damit sie ihre Zustimmung signalisieren konnte, aber auf ihrem Gesicht war nur blanke Opposition zu lesen. »Sie persönlich sind die Anständigkeit selbst, davon bin ich überzeugt«, fuhr er fort. »Selbstredend sind Sie das. Aber Sie wären erstaunt, wie viele Betrüger es auf der Welt gibt.« Er winkte dem Kellner.
    »Er ist kein Betrüger, Mr. Brue.«
    »Natürlich nicht. Er ist Ihr Mandant.«
    Sie standen. Wer zuerst aufgestanden war, wußte er nicht. Wahrscheinlich sie. Er hatte nicht erwartet, daß ihr Treffen so kurz ausfallen würde, und trotz seines inneren Aufruhrs ertappte er sich bei dem Wunsch, es möge länger dauern. »Ich rufe Sie an, wenn ich meine Recherchen abgeschlossen habe. In Ordnung?«
    »Wann?«
    »Das kommt darauf an. Wenn ich eine Niete ziehe, dann schon sehr bald.«
    »Heute noch?«
    »Möglich.«
    »Gehen Sie jetzt zurück in die Bank?«
    »Warum nicht? Wenn es eine Notsituation ist, wie Sie sagen, dann tut man, was man kann. Das versteht sich. Jeder täte das.«
    »Er ist am Ertrinken. Sie müssen ihm einfach nur die Hand hinstrecken.«
    »Wissen Sie, das ist ein Satz, den ich in meinem Beruf öfter zu hören bekomme.«
    Sein Ton weckte ihren Zorn. »Er vertraut Ihnen«, sagte sie.
    »Wie kann er das, wenn er mich gar nicht kennt?«
    »Gut, dann vertraut er Ihnen eben nicht. Aber sein Vater hat Ihnen vertraut. Und Sie sind seine einzige Hoffnung.«
    »Nun ja, das Ganze ist reichlich verwirrend. Für uns beide, nehme ich an.«
    Sie ließ

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