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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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reden zu hören – was hast du da gemacht?
    Dir dein Bankierslächeln in die Mundwinkel geschraubt – zugegeben, die gequälte Variante –, mir auf die Schulter geklopft und gesagt, es gebe Geheimnisse auf dieser Welt, in die man seinen geliebten Sohn besser nicht einweiht.
    Deine Worte. Eingewickelt hast du mich. Sogar Fräulein Ellenberger wußte mehr als ich, aber ihr hattest du ja gleich am ersten Tag ihres Noviziats das Schweigegelübde abgenommen.
    Und bei allem warst du trotzdem noch der, der zuletzt gelacht hat, nicht wahr? Du warst dem Tode nah, aber auch das war ein Geheimnis, in das ich nicht eingeweiht wurde. Kaum daß es auszusehen begann, als lieferten sich Freund Hein und die Wiener Behörden ein Kopf-an-Kopf-Rennen um deine unsterbliche Seele, gefiel es der vom alten Westerheim so heißgeliebten Queen, dich aus Gründen, in die kein Normalsterblicher je Einblick erhalten wird, stante pede in die Britische Botschaft zu beordern, wo ihr getreuer Botschafter dir mit geziemendem Brimborium den Verdienstorden des Britischen Empire verlieh, eine Ehre, nach der du, wie ich hinterher erfuhr (wenngleich nicht von dir persönlich), dein Leben lang gelechzt hattest.
    Und bei der Verleihung hast du geweint.
    Und ich auch.
    Und deine Frau, meine Mutter, hätte genauso geweint, wenn sie dabeigewesen wäre, aber in ihrem Fall hatte Freund Hein das Rennen schon längst gemacht.
    Und als du wieder mit ihr vereint warst in der Privatbank der Seligen – was du mit wiedererwachtem taktischem Geschick keine zwei Monate später bewerkstelligtest –, erschien der Umzug nach Hamburg erstrebenswerter denn je.
    * * *
    Unsere Klienten sind keine normalen Klienten in Ihrem Sinne, Mr. Brue.
    Das Kinn in die Hand gestützt, blätterte Brue in der kargen, schmallippigen Akte. Das Register war manipuliert worden, Dokumente entfernt, um die Identität des Kontoinhabers zu verschleiern. Ein Begegnungsprotokoll – das nur bei Lipizzanern geführt wurde – gab zwar Aufschluß über Zeit und Ort der Zusammenkünfte von Schwarzgeldkunden und Schwarzgeldbankier, nicht aber über den Betreff.
    Das Kapital des Kontoinhabers war in einem Offshore-Fonds auf den Bahamas angelegt, das Standardvorgehen bei den Lipizzanern.
    Der Fonds gehörte einer Stiftung in Liechtenstein.
    Der Anteil des Kontoinhabers an der liechtensteinischen Stiftung nahm die Form von Inhaberschuldverschreibungen an, hinterlegt bei Brue Frères.
    Der ausgewiesene Anspruchsberechtigte erhielt diese Schuldverschreibungen gegen Vorlage der Kennummer, zweckdienlicher Ausweispapiere sowie des, wie es keusch genannt wurde, erforderlichen Zugangsinstruments.
    Für weitere Details siehe die persönliche Akte des Kontoinhabers – nur daß sich diese just an dem Tag, an dem Amadeus Edward Brue, O. B. E., seinem Sohn feierlich die Schlüssel zur Bank überreichte, seltsamerweise in Luft aufgelöst hat.
    Mit anderen Worten, keine offizielle Übergabe und mit einiger Sicherheit auch keine sonstigen Formalien: nur ein »Hallo, ich bin’s« von dem glücklichen Besitzer der Kennummer, dazu ein Führerschein und das sogenannte Zugangsinstrument, und schon wechselte ein Batzen Aktien stillschweigend von einer dreckigen Pfote in die andere – der Traum eines jeden Geldwäschers.
    * * *
    »Nur«, murmelte Brue laut.
    Nur ist im Falle von Grigorij Borisowitsch Karpow, ehemals Oberst der Roten Armee, der ausgewiesene Anspruchsberechtigte (sollte er sich als solcher herausstellen) einer der Verdammten dieser Erde, dem es unerträglich ist, daß er sich überhaupt an mich wenden muß, und der die Hälfte der Zeit lieber verhungern würde. Er ist außerdem am Ertrinken, und ich muß ihm nur die Hand hinstrecken. Er glaubt, ich bin sein Retter, und ohne mich muß er in die Hölle zurück.
    Aber was Brue vor sich sah, war Annabels Hand: ringlos, die Nägel kurz wie bei einem Kind.
    Auf der Straße war es still geworden. Freitag. Mitzis Bridgeabend.
    Brue sah auf seine Uhr. Du liebe Güte, so spät schon! Wie ging das zu? Aber was hieß schon spät? Manchmal spielten sie bis in die frühen Morgenstunden. Er hoffte, daß sie gewann. Das war ihr wichtig. Nicht das Geld, das Gewinnen. Seine Tochter Georgie war das genaue Gegenteil. Ein Softie durch und durch, seine Georgie. Nur bei den Verlierern glücklich. Man konnte sie mit verbundenen Augen in einem Saal voller Jungs aussetzen: Wenn es unter ihnen einen todsicheren Blindgänger gab, jede Wette, daß er schon nach zwei Minuten ihre

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