Marissa Blumenthal 02 - Trauma
vorgerutscht.
Der Gerichtsdiener räusperte sich und verlas dann mit lauter, überall hörbarer Stimme: »Marissa Blumenthal-Buchanan, hiermit erhebt das Commonwealth von Massachusetts Anklage wegen schweren Einbruchs gegen Sie. Was erklären Sie dazu?«
»Mrs. Marissa Blumenthal-Buchanan erklärt sich für unschuldig«, sagte Mr. Freeborn mit seiner eindrucksvollen Stimme.
Und weiter las der Gerichtsdiener leiernd ab: »Marissa BlumenthalBuchanan, hiermit erhebt das Commonwealth von Massachusetts Anklage wegen Hausfriedensbruchs gegen Sie. Was erklären Sie
dazu?« Er ging die ganze Liste der Anklagen durch, und jedesmal erklärte Mr. Freeborn, sie erkläre sich für unschuldig.
Nachdem die Anklagepunkte gegen Marissa verlesen und samt ihren Erklärungen protokolliert worden waren, wiederholte der Gerichtsdiener das Ganze noch einmal mit Wendy.
In diesem Augenblick erhob sich eine Frau, die Marissa für eine Unterstaatsanwältin hielt. Mehrere Blätter in der Hand haltend, auf die sie sich in der Folge bezog, wandte sie sich an das Gericht. »Euer Ehren, das Commonwealth beantragt in diesen beiden Fällen die Neufestsetzung der ursprünglichen Kaution. Es handelt sich um schwerwiegende Anklagen, und es ist uns bekannt, daß in der betreffenden Klinik schwerer Sachschaden verübt wurde.«
»Euer Ehren, wenn Sie gestatten«, sagte Mr. Freeborn, »meine Mandantin Dr. Blumenthal-Buchanan ist eine angesehene Ärztin in unserem Staat, deren Arbeit landesweite Würdigung gefunden hat. Ich bin der felsenfesten Meinung, daß sie ohne Kaution auf freien Fuß gesetzt werden sollte. Daher stelle ich den Antrag, die vom Untersuchungsrichter festgesetzte Kaution aufzuheben.«
»Euer Ehren«, sagte Wendys Anwalt, »ich möchte mich dem Antrag meines geschätzten Kollegen anschließen. Meine Klientin Dr. Wendy Wilson-Anderson gehört als Augenärztin dem berühmten General Hospital an. Sie ist außerdem Grundbesitzerin im Commonwealth.«
Zum erstenmal, seit Marissa und Wendy vorgetreten waren, schaute der Richter von seinen Papieren auf. Mit kaltem Blick betrachtete er die vor ihm stehende Gruppe.
»Ich setze die Kaution auf 5000 für jede der beiden Angeklagten herab«, sagte er.
In diesem Augenblick näherte sich ein gutgekleideter Mann in einem erstklassigen Maßanzug dem Tisch der Anklage. Er tippte der Unterstaatsanwältin auf die Schulter und sprach längere Zeit auf sie ein. Danach beriet sich die Frau mit ihren beiden Kollegen.
»Wir setzen die Vorverhandlung auf den 8. Mai 1990 fest«, sagte der Gerichtsdiener.
»Wenn Sie gestatten, Euer Ehren«, sagte die Unterstaatsanwältin und näherte sich wieder dem Richtertisch, »in dem Fall ist eine neue Entwicklung eingetreten. Mr. Brian Pearson möchte dem Gericht eine Erklärung abgeben.«
»Und wer ist Mr. Brian Pearson?« fragte Richter Burano.
»Ich bin Rechtsberater der Frauenklinik, Euer Ehren«, sagte Mr. Pearson. »Die mutmaßlichen Verbrechen der Angeklagten wurden auf dem Gelände der Frauenklinik begangen. Dr. Wingate, der Direktor der Klinik, hat mich beauftragt, dem Gericht in dieser Angelegenheit eine Bitte zu unterbreiten. Ohne das Verhalten der Angeklagten irgendwie zu entschuldigen, will die Klinik auf eine Strafverfolgung verzichten, falls die Frauen ihr Verschulden anerkennen und sich ehrenwörtlich verpflichten, in Zukunft das Eigentum der Klinik zu achten und für die Reparaturen der von ihnen verursachten Schäden eine angemessene Entschädigung zu zahlen.«
»Das ist, milde ausgedrückt, recht ungewöhnlich«, sagte Richter Burano. Er räusperte sich, wandte sich an die Unterstaatsanwältin und fragte sie: »Wie steht das Commonwealth zu dieser neuen Entwicklung?«
»Wir erheben keinen Einspruch, Euer Ehren«, sagte die Unterstaatsanwältin. »Wenn die Klinik keine Strafverfolgung verlangt, wird das Commonwealth nicht darauf bestehen.«
»Na, das ist ja merkwürdig«, sagte der Richter und wandte sich nun Marissa und Wendy zu. »Nolle prosequil. Das ist in diesem Gericht ein Vorgang ohne Beispiel. Aber wenn niemand eine Strafverfolgung wünscht, dann ist es meine Pflicht, den Fall zur Entlastung der Gerichtsbarkeit des Commonwealth einzustellen. Doch bevor das geschieht, möchte ich eine persönliche Erklärung dazu abgeben.«
Richter Burano beugte sich vor und sah die beiden Frauen durchdringend an. »Nach dem mir vorliegenden Material muß ich annehmen, daß Sie beide für Erwachsene unverantwortliche Handlungen begangen haben, noch
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