Mark Beamon 01 - Der Auftrag
Schuss, und er ging hastig in Deckung.
Als sein Herzschlag sich so weit beruhigt hatte, dass sein Gehirn wieder funktionierte, fiel ihm auf, dass der Verdächtige überhaupt nicht hinter dem Wagen aufgetaucht war. Worauf hatte er dann geschossen?
»Ich glaube, der Kerl hat sich gerade selbst eine Kugel verpasst«, meinte er. Die beiden jungen Polizisten schauten ihn beinahe hoffnungsvoll an.
»Warum peilt nicht mal einer von euch die Lage?«
O’Rourke umfasste energisch seine Waffe und wollte losgehen. Beamon streckte einen Fuß aus und versperrte ihm den Weg.
»Das war ein Scherz, Junge. Mensch, ihr Burschen müsst dringend ein bisschen lockerer werden.«
»Ich würde mit Vergnügen gehen, Sir.«
Beamon glaubte ihm aufs Wort.
»Nein, ich gehe. Ihr gebt mir Deckung.«
Er überzeugte sich ein letztes Mal, dass die Luft rein war, und rannte zu Garrett hinter den Felsen.
»Was meinen Sie?«, fragte Garrett, der mit seinen verschränkten Armen aussah, als sei er drauf und dran, eine Siesta zu halten.
»Ich glaube, der Kerl hat sich erschossen.«
»Na, klasse! Wann ist unsere Verstärkung hier?«
»In etwa zehn Minuten. Ich denke aber, ich gehe mal rüber und schaue nach.«
Garrett schien von diesem Plan nicht gerade angetan. »Halten Sie das wirklich für klug, Mark?«
Für klug hielt er es zwar nicht, doch von solchen Überlegungen hatte er sich noch nie aufhalten lassen. »Ich hab keine Lust, ausgelacht zu werden, weil ich mich vor einer Leiche verstecke.«
Den Blick starr auf den Buick gerichtet, ging er langsam los. Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, dass die beiden Polizisten mit schussbereiten Waffen hinter der Motorhaube ihres Wagens kauerten.
Im Abstand von etwa dreißig Metern schlich er um den Buick herum. Er mochte vielleicht ein wenig eingerostet sein, aber es gab immer noch wenige, die aus dieser Entfernung besser schießen konnten als er.
Die Straße hinter dem Wagen kam langsam in Sicht. Er konzentrierte sich darauf, möglichst entspannt zu bleiben und gleichmäßig zu atmen.
Ein Fuß wurde sichtbar, und Beamon erstarrte. Er wartete einige Minuten, ob sich etwas rührte, ehe er vorsichtig weiterging. Selbst aus dieser Entfernung war zu sehen, dass der Boden neben dem Bein verfärbt und feucht war. Beamon beschleunigte seine Schritte, bis er schließlich den Mann sah. Er war tot.
Er senkte die 357er und ging näher heran. Die Schädeldecke fehlte, und neben einer immer noch rauchenden Crackpfeife lag eine 9-mm-Pistole im Staub. Beamon starrte auf das rechte Bein des Mannes. Der gesamte Unterschenkel fehlte.
»Er ist tot!«
Garrett erschien hinter seinem Felsen. O’Rourke und sein Partner tauchten hinter dem Wagen auf, hielten aber nach wie vor ihre Waffen schussbereit.
Beamon konnte seinen Blick nicht von dem Beinstumpf wenden. »War irgendwas Ungewöhnliches an der Beschreibung dieses Kerls, als sie über Funk kam?«
Die beiden Polizisten schauten einander an. »Eigentlich nicht. Männlich, weiß, Mitte dreißig, ungefähr eins achtzig groß.«
»Das war alles?« Beamon sah schon die Titelseite einer Zeitung vor seinem geistigen Auge, auf der ein wenig schmeichelhaftes Foto von ihm prangte. Darunter stand die Schlagzeile:
FBI TREIBT UNSCHULDIGEN IN DEN SELBSTMORD
»Nein, warten Sie mal. Es hieß noch, dass er stark gehinkt habe.«
Beamon ging zum Wagen und schaute durch die offene Tür der Beifahrerseite. Der Vordersitz war leer. Er beugte sich nach hinten. Eine Papiertüte voller Bargeld war zwischen die Sitze gerutscht. Darauf lag eine Beinprothese.
Vor gut einer Woche war Swenson nach Mexiko abgereist. Um sich die Langeweile zu vertreiben, hatte Hobart Kontakt mit seinen Männern aufgenommen und sich ausführlich Bericht erstatten lassen, hatte die Buchführung auf den neuesten Stand gebracht – und nach drei Tagen war unglücklicherweise alles Wichtige erledigt gewesen. Danach schien sich die Zeit endlos zu dehnen.
Die Tatsache, dass er nicht nach Hause konnte und ein ungutes Gefühl hatte, wenn er in Lokale ging, die er sonst regelmäßig besuchte, vergrößerte noch seine Unruhe. Er fühlte sich wie eingesperrt in seinem eleganten Büro, wo er CNN schaute und Schach gegen den Computer spielte.
Sobald sein Verstand nicht beschäftigt war, fing er an, sich Sorgen zu machen, und alle möglichen Gedanken gingen ihm durch den Sinn. Was war mit seinen Männern, die über die ganzen USA verteilt waren? Würde man sie fassen? Und wenn ja, würden sie ihn verpfeifen?
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