Mark Beamon 01 - Der Auftrag
fehlte Calahans Worten jeder Nachdruck.
»Nein, ich glaube nicht, dass es einen gibt.« Sherman ging hinüber zu einer Wand, die buchstäblich mit Fotos gepflastert war. Fast alle zeigten Calahan mit irgendwelchen prominenten Politikern.
»Wir sind einigermaßen angeschlagen durch die öffentliche Kritik an Ihnen.«
Vor kurzem war in der Presse berichtet worden, dass Calahan angeblich Mittel und Personal des FBI für private Zwecke nutzte. Eine Anschuldigung, die absolut stimmte.
Obwohl er weiter die Fotos betrachtete, wusste er genau, dass jetzt eine Röte Calahans Gesicht überzog. Seine Unfähigkeit, ein Pokerface beizubehalten, wenn er in die Enge gedrängt wurde, machte so manchem im FBI Sorgen.
»Weiter«, sagte Calahan kühl.
»Die Presse liebt Mark. Nach der Coleman-Entführung haben ihn die Reporter regelrecht vergöttert. Und ob es nun stimmt oder nicht, sie glauben jedenfalls, er sei unser bester Mann.« Sherman versuchte, den jungen Calahan auf den Fotos aus seiner Zeit als Jurastudent zu finden.
»Ich habe das unangenehme Gefühl, dass wir mit diesen drei Vergiftungen erst die Spitze des Eisbergs erlebt haben. Falls ich Recht habe, wird die Presse einen Riesenzirkus machen, und wir werden diese Ermittlungen wie unter einem Mikroskop durchführen.« Er wandte sich um und schaute seinen Chef direkt an. »Deshalb versuchen wir besser, den Eindruck zu erwecken, als ob wir alles Menschenmögliche tun, um diese Typen zu fassen. Und falls sich herausstellt, dass nichts weiter hinter dieser ganzen Sache steckt, schicken wir Mark einfach zurück nach Texas. Und wissen Sie, was die Medien dann sagen werden? Dass Sie die besten Geschütze aufgefahren haben, um die Sicherheit von einigen Drogensüchtigen zu gewährleisten, und man wird Hochachtung vor Ihnen haben.«
Sherman verschränkte die Arme und signalisierte, dass er fertig war. Calahan schaute schweigend aus dem Fenster. Schließlich drehte er sich wieder um.
»Machen Sie, was Sie wollen, Tom, aber halten Sie ihn von mir fern.«
Sherman nickte. »Ich möchte auch noch vorschlagen, dass ich mit Mark zusammenarbeite und nicht Frank. Das wäre sicher vorteilhafter für alle Beteiligten.«
Calahan kramte mit vorgetäuschtem Interesse in seiner Post, um anzudeuten, dass das Gespräch vorbei sei. »Wie Sie wollen. Es ist Ihre Angelegenheit.«
Als er das Büro des Direktors verließ, fragte sich Sherman, ob er nun glücklich sein sollte über seinen Sieg oder nicht. Mark Beamon und er waren seit fast fünfzehn Jahren Freude, und er wusste, dass die Übernahme dieses Falls riskant für Beamon war. Er hatte den Verdacht, dass Calahan unter anderem deshalb so rasch nachgegeben hatte, weil er sich darauf freute, ihn zum Sündenbock für alles zu machen, was schief lief.
Mark Beamon schob eine alte Lampe zur Seite und setzte sich mit einem Bier aufs Sofa. Das Haus war ein einziges Schlachtfeld. Er war jetzt seit drei Monaten in El Paso und hatte erst drei Kisten und zwei Kleidersäcke ausgepackt. Es war bei jedem Umzug die gleiche Geschichte – man verschob das Auspacken und kaufte lieber, was man zum Überleben brauchte. Genau aus diesem Grund besaß er mittlerweile drei Bügelbretter und nicht weniger als sechs elektrische Rasierer.
Das Telefon läutete, als er gerade dabei war, Schachtel Nummer vier aufzuschneiden, und sich selbst dafür verfluchte, dass er nie geheiratet hatte. Dankbar warf er das alte Messer auf die Couch und watete durch das Verpackungsmaterial, das über den Boden verstreut war. Er erreichte das Telefon, kurz bevor der Anrufbeantworter sich einschaltete.
»Hallo?«
»Hallo, Mark. Wie geht’s?« Tom Shermans Stimme.
»Versuche immer noch, mich einzurichten. Was geht bei euch vor sich?«
»Hier rotieren alle, und ich stecke knietief in der Sache drin.«
Beamon hockte sich auf die Tischkante. »Kann ich mir denken. Ich habe die Nachrichten gesehen. Diese Drogengeschichte muss den Direktor ja völlig fertig machen. Liegt er schon im Sauerstoffzelt?« Grinsend genoss er diese Vorstellung.
»Wie sieht’s aus – könnten wir zwei uns morgen treffen?«
Beamon schwieg.
»Bist du noch dran, Mark?«
»Ja, aber ich habe gerade gedacht, dass es wahrscheinlich besser wäre, aufzulegen. Sag mir, dass du nicht vorhast, mich in dieses Fiasko reinzuziehen.«
»Die Medien kennen die gesamte Geschichte noch nicht, Mark. Ich glaube, wir könnten hier ein ernsthaftes Problem haben.«
Beamon hütete sich davor, nach Einzelheiten zu fragen.
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