Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Markttreiben

Markttreiben

Titel: Markttreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
Vom Netzwerk:
Sie blockte ab, sie lachte wieder ein
ironisches Lachen. Das Pendel zwischen Wahrheit und Theater war weiter in
Bewegung.
    »Miriam Keller hasst Wände?«
    »Ja, echte Wände und die Wände rund um die Köpfe. Wände zwischen den
Menschen. Es gibt viel zu viele Wände!«
    Wieder diese Offenheit und sein Unvermögen, auf solche Sätze etwas
zu erwidern. Er war ein Mann, er hatte tatsächlich den falschen Chromosomensatz
für solche Sätze.
    »Sie sind ein Mann, Männer mögen solche Sätze nicht.«
    »Das hab ich auch gerade gedacht.«
    Sie lachte. »Ich weiß.«
    Sie war wieder aufgestanden und hatte ihm ein drittes Weißbier
eingeschenkt, sich ein zweites Glas Wein. Gerhard trank einen gewaltigen Zug.
Sie hielt mit, trank den Wein fast auf ex aus und füllte ihn nochmals auf. Der
Regen war nun wie eine Wand, das Prasseln war monotoner geworden. Der Wind war
abgeflaut. Es goss gleichmäßig gewaltige Mengen. Aus der Dämmerung war fast
Dunkelheit geworden. Über der Küchenzeile brannte ein Lämpchen. Sie kam retour
mit dem vollen Weinglas. »Licht?«
    Er gab erneut die einzig falsche Antwort. »Nein.«
    Sie war aufgestanden und trat an die offene Tür. Bückte sich und
begann mit einem Geschirrtuch die Pfütze auf dem Boden aufzuwischen.
    »Bevor der Boden sich doch noch wellt«, sagte sie und klang wie ein
kleines Mädchen. Gerhard war aufgestanden und reichte ihr eine Hand.
    »Ich kann das schlecht sehen, wenn Frauen auf den Knien vor mir
rumrutschen.«
    Das sollte witzig klingen, war aber irgendwie verunglückt.
    Sie lachte wieder hell und gab ihm den Lappen. »Bitte, ich kann es
gut sehen, wenn Männer vor mir knien.«
    Er war nahe dran, einen dummen Satz zu sagen. Ob ihre Lover auf die
Domina stünden? Irgendetwas in der Art. Er hielt aber gottlob die Klappe.
    Sie war auch in die Hocke gegangen, es war fast dunkel, er sah nur
ihre hellen Augen. »Nichts sagen, was du bereuen würdest«, sagte sie leise.
    Ein Du. Gerhard hatte immer noch den Lappen in der Hand. Plötzlich
ging das Licht auch an der Küchenzeile aus, und draußen versank Peiting in Dunkelheit.
    »Stromausfall«, sagte Gerhard lahm und erhob sich. Reichte ihr
erneut die Hand und zog sie hoch. Er ließ die Hand nicht los. Sie entwand ihm
die Finger und blieb im Türrahmen stehen. Sie blickte hinaus ins Dunkle. Er
stand hinter ihr. Ein Blatt Papier weit war der Abstand zwischen ihnen. Langsam
drehte sie sich um. »Und nun?«
    »Ich kann nicht mehr fahren. All die Weißbiere …«
    »Nein, das erlaubt die Polizei sicher nicht.«
    Sie verringerten den papierdünnen Abstand, er umfasste sie. Sie
standen eine Weile da, bis sie ihn wegschob und küsste. Ein langer Kuss. Ein
nachdenklicher Kuss. Kein wildes Geknutsche, eher ein Versinken. Sie glitten zu
Boden, auf den Parkettboden, der kühl war und hart. Aber jeder weitere Schritt
wäre das Ende gewesen. Jeder weitere Schritt hätte Vernunft bedeutet. Bis zu
einem adäquaten Platz für Menschen ihres Alters zu gelangen, wo man ja nicht
unbedingt den Küchenboden oder die Rückbank eines Autos favorisierte, war
undenkbar. Sie roch gut nach einem Parfüm, das Gerhard irgendwoher kannte. Sie
fühlte sich gut an, fest und stark, kein Mädelchen. Gedanken an Kassandra
huschten vorbei, an Wilhelmine, die beide so zarte Frauen waren, sie
verschwammen in irgendeinem Nebel. Da war nur noch das Prasseln des Regens. Sie
legte ein Bein über seine Hüfte, und der Regen wurde noch stärker.
    Als er zu sich kam, lag das Licht einer gedimmten Lampe über dem
Raum. Sie saß mit angezogenen Knien an die Küchenzeile gelehnt und nippte an
ihrem Weinglas. Ein viel zu großes T-Shirt hatte sie über die Knie gezogen. Die
Balkontür war zu, ein Rollo war heruntergelassen.
    Gerhard hatte sekundenlang Mühe, sich zu orientieren. Er war mit
einer Wolldecke zugedeckt.
    »Ich bin jetzt aber nicht …«
    »Eingeschlafen?« Sie lachte hell. »Doch, ich nehme das eher als
Kompliment. Ich meine, es gibt bessere Plätze als einen Küchenboden, aber du
hast ja noch einiges an Unterlage.«
    Was stimmte. Gerhard lag auf einem kompletten Satz Männer- und
Frauenbekleidung. Er arbeitete sich unter der Decke heraus und begann das Zeug
zu sortieren. Zog seine Unterhose und seine Jeans an. Sie betrachtete ihn mit
einem leisen Lächeln, das um ihre Lippen spielte. Er nahm das Weißbier vom
Tisch, das schal war, und hockte sich dann neben sie.
    »Entschuldigung.«
    »Fürs Einschlafen? Fürs Trinken meiner Biervorräte? Für die letzten
zwei

Weitere Kostenlose Bücher