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Markttreiben

Markttreiben

Titel: Markttreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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Stunden?«
    Gerhard schwieg.
    »Alles drei ist entschuldbar.«
    Sie war aufgestanden, das Shirt reichte ihr bis zu den Knien.
Gerhard wusste, dass er unbedingt etwas sagen musste. Dass er irgendwie den Weg
zurück zum Verhältnis Kommissar – Zeugin, Kommissar – Verdächtige finden
musste. Er umfasste ihren Knöchel und ließ einen Finger bis zum Knie
hinaufgleiten. Und höher. Diesmal schafften sie es ins Schlafzimmer. Er musste,
er würde nachher, morgen, er würde … er versank.

ZEHN
    Ich gewann, ich verlor, wir glaubten
    an düstere Wunder.
    Gerhard erwachte durch ein Klingeln. Es stammte von einem Wecker,
ein unangenehmer Ton, der in sein wattiges Hirn einschnitt. Ein unbekannter
Ton. Er blinzelte. Es war hell. Miriam war weg. Er war schon wieder fürsorglich
zugedeckt worden. Er tapste in die Wohnküche, die Couch war ausgezogen, Miriam
hatte dort anscheinend geschlafen. Das gab ihm einen Stich. Warum nur? Auf dem
Küchentisch lag ein Zettel. »Ich weiß nicht, wann Kommissare aufstehen, ich dachte,
sechs Uhr ist früh genug. Ich bin vor fünf schon zu einer Bergtour mit Bettina
aufgebrochen. Handtücher liegen auf dem Waschbecken. Kaffeemaschine wirst du
bedienen können. Schönen Tag.«
    Er sank auf einen der bunten Holzstühle. Sie war weg. Auf einer
Bergtour. Sie hatte ihn zugedeckt, und sie war vor ihm geflüchtet in der Nacht.
Sie hatte ihm Handtücher vorbereitet und war doch abgehauen ganz früh. Was war
das für eine Frau, die so sehr schwankte zwischen zärtlicher Hingabe und
Fluchtreflex? Was hatte er nur getan? Er vertrug den Sommer nicht, das war es.
Er duschte tatsächlich und nahm ein Handtuch, das sie in einem Hotel geklaut
hatte. Sie war Jo ähnlich, Jo hatte auch so eine Sammelleidenschaft für
wuschelige Hoteltücher.
    Er fuhr langsam nach Weilheim. Er hasste diesen Fall, wie er nie
zuvor einen gehasst hatte. Es ging hier um die Tragik in Beziehungen, wie sie
wohl millionenfach vorkamen, aber netterweise bekam man davon außer in
einschlägigen Dokus im Fernsehen nichts mit. Hier aber musste er ein Feld
beackern, das er sonst vermied. Was hätte er um einen anständigen Fall im
Mafia-oder Drogenmilieu gegeben!
    Den Tag verbrachte er im Büro. Die Kollegen hatten wenig Erhellendes
zu berichten. In der Mordnacht schienen alle Peitinger tatsächlich nach dem
Dorffest in todesähnlichem Schlaf gelegen zu haben. Niemand hatte Socher oder
Rosl gesehen. Bis Melanie kam, lag Trägheit in der Luft. Als Mel allerdings
hereinpolterte – das anmutige Gehen war nicht so ihres –, war auf einmal
Bewegung in der Luft. Mel hatte zu berichten, dass die Lämmles vor einem halben
Jahr nach Schweden ausgewandert waren. Ohne die Tochter. Das war natürlich
schlecht. Eine Spur weniger.
    »Soll ich da weiter nachfragen? In Schweden?«, fragte Melanie.
    Gerhard machte eine abwiegelnde Handbewegung. »Bleiben wir in der
Nähe. Sonst noch was?«
    Mel lächelte. »Ja, und zwar Folgendes …« Sie hatte erfahren, dass
Effi Bader auf dem Bürgerfest länger mit Leo Lang zusammengestanden hatte. Sie
hatten sich gestritten, da war sich die Beobachterin sicher. Die Zeugin hatte
bedient am Fest und mal eine geraucht. Abseits des Getümmels hatte sie die
beiden gesehen. Leo kannte sie, und die Kreisrätin war ihr ein Begriff, weil
sie am Tisch der »Politikerlaffen« bedient hatte. Sie kannte Effi Bader
außerdem auch aus der Zeitung.
    »Das hat was!«, rief Evi.
    »Ja, das hat Sprengstoff. Da wird Frau Bader wohl nicht mehr einfach
abwarten können und Tee trinken. Ich denke, wir werden sie vorladen. Da wird
die Staatsanwaltschaft sicher zustimmen.«
    »Ich hab mal nachgehört«, sagte Mel, »also ich wollt da nicht
vorgreifen, aber …«
    »Was, Melanie? Geht’s weniger verquast?«
    »Effi Bader ist mit einer Delegation nach Rumänien gereist. Sie
engagiert sich da bei so einem Austausch, wo Päckchen nach Rumänien gehen, wo
Schüler rüberkommen, also jedenfalls …«
    »Wie lange?«
    »Bis Dienstag«, sagte Mel.
    »Na gut, das werden wir abwarten können. Wir machen heute mal
Schluss. Schönes Wochenende, falls nichts dazwischenkommt.«
    Sie standen draußen, als Evi fragte, scheinheilig fragte, wie Gerhard
fand: »Was machst du heute denn noch so?«
    »Was werd ich schon machen? Mit Seppi ‘ne Runde laufen. Mal früh
schlafen gehen.«
    »Soso«, sagte Evi.
    »Was, soso?«
    »Ach nichts, Gruß an Seppi. Ich dachte nur, du hättest mitkommen
wollen. Ich treff mich mit Jo. Die hat sich eh schon beklagt, dass

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