Marlene Suson 2
Einladung
erhalten zu haben – was, wie sie versicherte, gewiß nur ein Ver- sehen war –, glaubte Rachel ihr und schickte ihr eine Einladung. Als ich davon erfuhr, war es viel zu spät, um noch etwas zu unternehmen.“
Stephen fürchtete das leicht entflammbare Temperament sei- ner früheren Geliebten. „Verdammt, heute abend ist weder der richtige Zeitpunkt noch Ort, um mich mit Caro abzugeben. Die Sache muß ich mit ihr allein regeln.“ Und zwar sehr vorsichtig. „Ich kann nur hoffen, daß sie auf dem Ball keine Szene macht und Megan damit in eine peinliche Situation bringt.“
Erschrocken schaute Jerome auf. „Das wird sie doch wohl nicht tun, oder?“
„Oh, fähig ist sie durchaus dazu.“
„Vielleicht nimmt es ihr den Wind aus den Segeln, wenn sie mit eigenen Augen sieht, wie sehr du deine Frau liebst.“
„Glaubst du wirklich?“ fragte Stephen zweifelnd.
Jerome runzelte die Stirn. „Caroline ist dermaßen von sich überzeugt, daß sie es womöglich gar nicht mitbekommt.“
Er ging an seinen Schreibtisch und nahm aus der oberen Schublade ein schwarzes Schmuckkästchen. „Dies hat Duncan Richter gestern für dich geschickt.“
„Ach ja, mein nachträgliches Hochzeitsgeschenk für Megan. Eine Brosche, die ich entworfen und von dem Juwelier habe an- fertigen lassen. Megan soll sie heute abend zum Ball tragen.“ Stephen nahm das Kästchen, öffnete es und lächelte zufrieden. Richter hatte den Kolibri genauso ausgeführt, wie Stephen es vorgeschrieben hatte.
Jerome setzte sich in einen Sessel und bat Stephen, ebenfalls Platz zu nehmen. „Hat Rachel dir von dem Brief erzählt, den sie gestern von George erhalten hat?“
„Ja.“ George hatte den Brief in aller Hast geschrieben, um ihr mitzuteilen, daß Stephens Brief in der Post gewesen war, die sich während seines Aufenthaltes in Kanada angesammelt hatte, und daß er sofort nach Virginia aufbrechen wollte, um seinem Bruder zu helfen.
Der Brief war einen Tag nach Stephens und Megans Abreise geschrieben worden.
„Ich habe noch eine Neuigkeit für dich“, sagte Jerome. „Der König, oder besser gesagt, das für solche Angelegenheiten zu- ständige Komitee des Kronrats hat Megans Petition akzeptiert.
Es wird eine Verhandlung geben. Wir werden darlegen, daß Ash- ley Grove Megan durch Betrug genommen wurde und daß es ihr zurückerstattet werden muß.“
Stephen seufzte erleichtert. „Ich danke dir, Jerome.“
„Als Megans Ehemann mußt du bei der Verhandlung ihre Interessen wahrnehmen. Ich werde auch mitkommen.“
„Wie stehen unsere Chancen?“
Jerome hob die Schultern. „Das müssen wir abwarten.“
Stephens Mut sank. „Ich würde es vorziehen, wenn du Megan noch nichts davon sagst. Ich möchte keine Hoffnungen in ihr wecken, die dann eventuell enttäuscht werden.“
„Wie willst du ihr dann deine Reise nach London erklären?“
„Ich werde sagen, daß ich in Geschäften nach London muß, was ja auch stimmt. Wenn sie den wahren Grund erfährt und das Gericht die Klage abweist, wird sie am Boden zerstört sein.“ Jerome nickte. „Ganz der besorgte Gatte.“
„Ja“, gab Stephen zu.
„Ich muß dich warnen. Der Schuß kann mitunter nach hin- ten losgehen, wenn man seine Frau zu sehr beschützen will. Ich spreche aus leidvoller Erfahrung.“
„Ich will nicht, daß Megan enttäuscht wird“, beharrte Stephen. „Wann soll die Verhandlung stattfinden?“
„In drei Tagen, zum Glück aber erst am Nachmittag. Wir werden morgens sehr früh aufbrechen und nach London reiten.“
„Warum können wir nicht schon am Tag vorher hinfahren?“
„Weil ich an dem Tag Hiram Flynt erwarte, und das wollen wir uns doch beide nicht entgehen lassen.“
„Hat ,Lord Dunbar’ noch einen Brief von ihm bekommen?“
„Nein. Ich habe Neville Griffin eingeschaltet, einen Geheim- agenten, der schon vor zwei Jahren die Wahrheit über deine Entführung in Dover herausgefunden hat. Er hat sich diese fal- sche Lady Katherine vorgeknöpft, als sie und Flynt in London an Land gingen. Ihre Vergangenheit ist übrigens genauso, wie du vermutet hast. Sie stand vor Gericht und wurde verurteilt. Ihre Zuchthausstrafe wurde dann jedoch in Deportation umgewan- delt unter der Bedingung, daß sie englischen Boden nicht mehr betreten darf.“
„Da sie es nun doch getan hat, wird man sie jetzt wohl einsperren, damit sie ihre ursprüngliche Strafe absitzt, oder?“
„So wäre es gelaufen, aber Griffin und ich haben einen Handel
mit ihr abgeschlossen:
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