Marlene Suson 2
brachte es ein- fach nicht fertig, die Worte auszusprechen: ... wenn du meiner überdrüssig bist?
„Wenn ich sterben sollte? Dann wirst du eine reiche Frau sein. Ich habe mein Testament bereits abgefaßt. Du wirst ein Vermögen erben.“
Sie wollte kein Vermögen erben. Was sie wollte, war seine im- merwährende Liebe und Treue. Doch ihr Stolz ließ es nicht zu, es auszusprechen. Obwohl er beteuerte, sie zu lieben, gab sie sich nicht der Illusion hin, daß ein so faszinierender Mann wie er ihr lange treu sein würde.
27. KAPITEL
Meg bemerkte nur ganz am Rande die kunstvoll gestalteten und sorgfältig gepflegten Gärten und Anlagen auf Royal Elms. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem massiven Steinpalast, der sich wie ein prachtvoller Tempel auf dem Hügel vor ihnen erhob. Der hohe Giebel des Mittelbaus wurde von zwei Kuppeln flankiert, und rechts und links von ihnen erstreckten sich lange, geräumige Seitenflügel.
Erstaunt über die Größe und Schönheit des Herrenhauses murmelte Meg: „Es ist sehr ... sehr ...“ Ihre Stimme erstarb, weil ihr einfach kein Wort einfiel, das diesem Bauwerk gerecht wurde. „Jetzt verstehe ich, daß alle Welt so von Royal Elms schwärmt.“
Sie war schrecklich nervös und aufgeregt, denn ihr zu Ehren würde heute abend auf diesem feudalen Landsitz ein Ball statt- finden. Eigentlich hatten Meg und Stephen schon gestern auf Royal Elms eintreffen wollen, doch ein betrunkener Postkut- scher hatte südlich von York ihre Kutsche gerammt und dabei die Vorderachse von Stephens Reisechaise stark beschädigt. Die Reparatur hatte einen ganzen Tag gedauert.
Langsam fuhr die Kutsche die gewundene Auffahrt zu dem beeindruckenden Portal des Hauses hinauf. Vor ihnen hatte gerade eine Equipage ihre Passagiere abgesetzt, einen distin- guiert aussehenden Herrn und seine Begleiterin, und fuhr nun weiter.
Das Paar ging die Steintreppe zu dem von Säulen flankierten Portikus hinauf und war gerade oben angekommen, als Stephens Kutsche unten hielt. Die Frau blieb stehen und drehte sich um. Bewundernd ließ sie den Blick über die märchenhafte Parkan- lage schweifen. Sprachlos starrte Meg die Frau an. Nach Rachel war sie das schönste Geschöpf, das sie je gesehen hatte. Neben ihr kam Meg sich vor wie ein häßliches Entlein.
Jeder Zug des ovalen Gesichts dieser Frau, das von glänzen- dem rotbraunen Haar umrahmt wurde, war perfekt. Schmale Augenbrauen wölbten sich über großen schokoladenbraunen Au- gen. Ihre Nase war klein und edel, ihr Mund reif und sinnlich. So war auch ihre Figur. Sie war ziemlich groß und trug ein ele- gantes Reisekleid, das die verführerischen Linien ihrer vollen Brüste und der schmalen Taille vorteilhaft unterstrich. Es war ein Körper, von dem Männer träumten.
Ein gepreßter Laut, der sich anhörte wie ein unterdrückter Fluch, entfuhr Stephen, der neben ihr saß. Sie schaute ihn an und sah, daß auch er die Frau anstarrte, offenbar ganz gefangen von ihrer Erscheinung. Er wirkte so, als könnte er seinen Augen nicht trauen.
Meg versuchte sich damit zu beschwichtigen, daß jeder halb- wegs normale Mann von einer solchen Schönheit fasziniert sein mußte, doch der rätselhafte Blick in Stephens Augen traf sie zu- tiefst. Die Frau und ihr Begleiter verschwanden im Haus, aber Stephen blieb bewegungslos sitzen, als hätte ihr Anblick ihn versteinert.
Meg schluckte mühsam. Sie spürte, wie die Eifersucht an ihr fraß. Ihr kam zum Bewußtsein, daß sie, reizlos, wie sie war, noch nie eine solche Wirkung auf ihren Mann ausgeübt hatte. Es würde ihr auch bei keinem anderen Mann gelingen. „Wer war diese Frau? Kennst du sie?“
Es dauerte einen Augenblick, bis Stephen in der Lage war, ihre Frage aufzunehmen. Er nickte. „Lady Caroline Taber.“
Seine Worte trafen sie wie ein Messer ins Herz.
Stephens Mätresse!
Sichtlich erregt folgte Stephen Jerome in dessen Bibliothek und schloß die Tür hinter sich mit einem vernehmlichen Knall. „Was, in drei Teufels Namen, hat Caroline Taber hier zu suchen?“
Jerome wandte sich um und fixierte seinen aufgebrachten Gast. „Sie nimmt an dem Ball zu Ehren deiner Frau teil.“
„Wieso hast du sie überhaupt eingeladen? Du weißt doch, wie wir zueinander standen.“
„Ja, und deshalb habe ich sie auch nicht eingeladen. Deine Schwester, die nichts von deiner dunklen Vergangenheit weiß, hat es getan. Taber ist ein alter Freund von mir. Als die raffinierte Caroline sich bei Rachel darüber beschwerte, keine
Weitere Kostenlose Bücher