Marlene Suson 3
„Du mußt an meinen Ruf denken.“
„Ja, dein Ruf wäre in großer Gefahr“, bestätigte sie trocken. „Aber die Gefahr wäre noch größer, wenn du eine Frau mit meinem Ruf heiratest.“
„Hör zu, du hast mir heute abend das Leben gerettet. Jetzt mußt du es auch mit mir teilen.“
„Aber Morgan, ich will doch nicht, daß du mich aus Dank- barkeit heiratest.“
„Dankbarkeit? Daniela, ich will dich heiraten, weil ich dich liebe, weil du mein Leben mit mir teilen sollst. Weil ich will, daß du meine Lebensgefährtin und die Mutter meiner Kinder wirst.“
Fassungslos starrte sie ihn an. „Du liebst mich?“ wiederholte sie betroffen und ungläubig. „Warum hast du es dann nicht gesagt?“
Verdutzt sah er sie an und erklärte dann zögernd: „Ja, weißt du, wenn man noch nie zuvor geliebt hat, dann dauert es mitunter eine Weile, bis man sich dessen bewußt wird. Es ist so ähnlich, als hätte man Fieber: Man fühlt sich seltsam, weiß aber nicht, warum.“
„Du vergleichst die Liebe mit einem ordinären Fieberanfall?“ rief Daniela indigniert. „Dann mußt du mich ja in der Tat höchst liebenswert finden.“
„Du bist die liebenswerteste Frau, die mir je begegnet ist.“
Daniela dachte an die Spötteleien ihrer Geschwister. „Das müßte meine Familie hören. Sie würden sich totlachen.“
Morgan legte die Hände um ihr Gesicht und strich mit den
Daumen zärtlich über ihre Wangen. „Du hattest das Pech, in eine Familie zu geraten, die aus egoistischen, lieblosen Menschen bestand, wo jeder nur an sich selbst dachte. Sogar dein Vater kümmerte sich nur um sein eigenes Vergnügen. Deine Familie war unfähig zur Liebe. Der Fehler lag bei ihnen, nicht bei dir.“
Er küßte sie zärtlich, und sein Kuß machte sie ebenso glück- lich wie seine Worte. Er hatte recht, was ihre Familie betraf. Wie gut, daß sie und ihr Bruder James sich von ihr gelöst hatten.
Als Morgan den Kopf wieder hob, lächelte sie zu ihm auf, doch sein Gesicht blieb ernst. „Stimmt etwas nicht?“ fragte sie beunruhigt.
„Du hast es mir noch nicht gesagt, Daniela.“ In seinem Blick lag Unsicherheit und eine Spur Angst. „Liebst du mich auch?“
„Über alles!“ gestand sie mit leuchtenden Augen.
Ein inniges Lächeln glitt über sein Gesicht. „Dann wirst du mich heiraten?“
Das hätte sie so gern getan. Oh, wie sehr sie sich danach sehnte, doch sie schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht. Du vergißt, daß ich in den Augen der Gesellschaft ruiniert bin. Ich will keine Schande über dich und deine Familie bringen. Ich weiß, wie stolz Jerome ist. Es wäre schrecklich für ihn. Und für dich auch, wenn du erleben würdest, wie die Leute hinter deinem Rücken flüstern, sobald du einen Raum betrittst. Wenn du mitbekommst, wie sie sich hinter vorgehaltener Hand fragen, weshalb du ausgerechnet mich geheiratet hast.“
„Der Skandal liegt schon Jahre zurück. Es wird sich kaum jemand daran erinnern.“
„Das Gedächtnis der Gesellschaft ist viel besser, als du denkst“, widersprach sie traurig. Sie dachte an all die feind- seligen Blicke, die sie noch immer durchbohrten, wenn sie sich irgendwo sehen ließ.
„Außerdem bist du unschuldig. Du bist das Opfer, nicht die Täterin.“
„Aber außer dir und Charlotte glaubt das niemand. Rigsby hat alle vom Gegenteil überzeugt.“
„Diese lausige Ratte!“ stieß Morgan haßerfüllt hervor.
„Ja.“ Daniela nickte. „Kannst du dir vorstellen, daß es mir zu- nächst sehr geschmeichelt hat, als er mir seine Aufmerksamkeit schenkte? Kein anderer Mann hatte es vorher getan. Ich war erst siebzehn, aber damals schon so groß wie jetzt und damit größer als die meisten jungen Männer. Außerdem war ich so dünn wie
eine Bohnenstange. Sie mieden mich wie die Pest. Deshalb war ich glücklich, als Rigsby, den man allgemein für einen tollen Fang hielt, mit mir zu flirten begann.“
Ihre Stimme klang gepreßt, und Morgan schloß die Arme um sie, als könnte er sie damit vor den bösen Erinnerungen schützen.
„Selbst Basil war entzückt. Nicht etwa meinetwegen, sondern weil es seinen eigenen Interessen dienlich war. Rigsby gehörte zum Anhang des Zirkels um Tony Denton, und Basil hoffte, über Rigsby Eingang in diese Kreise zu finden.“
„Deshalb hat er auch Rigsby und nicht dir geglaubt. Hinzu kam sein Haß auf dich, weil er dir den Tod eurer Mutter zum Vorwurf machte.“ Morgan küßte sie wieder. „Vergiß Basil und Rigsby. Sie gehören der Vergangenheit
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