Marlene Suson 3
einfach nicht von seiner breiten, behaarten Brust wenden. Sie verspürte das unsinnige Verlangen, mit den Fingern durch das Kraushaar zu fahren. „Wo ist Ihr Nachtgewand?“ platzte sie heraus, weil ihr vor Verlegenheit nichts anderes einfiel.
„Ich schlafe immer so“, belehrte Morgan sie mit zuckenden Mundwinkeln. „Dieses Risiko gehen Sie ein, wenn Sie einen Mann nachts in seinem Schlafzimmer besuchen.“
„Ich ... ich ... habe Sie nicht besucht.“ Daniela hatte den Eindruck, als klebte ihre Zunge am Gaumen. „Was machen Sie überhaupt hier?“
„Dies ist mein Schlafzimmer“, gab er verdutzt zurück. „Wo, zum Teufel, sollte ich sonst sein?“
„Bei einer Hure“, stieß sie anklagend hervor.
„Bei wem? Wie kommen Sie denn auf die abartige Idee?“
„Basil hat gesagt, daß Sie das vorhätten und nicht vor morgen früh wieder hier sein wollten.“
Morgans Augen wurden schmal. Daniela glaubte Enttäu- schung darin aufblitzen zu sehen, gefolgt von unverkennbarem Zorn.
„Und das haben Sie ihm geglaubt.“ Auch seine Stimme klang zornig. „Nun denn, wie Sie sehen, Mylady, hat Ihr Herr Bruder sich geirrt. Andererseits hat er uns damit einen Gefallen getan.“
Bevor sie noch fragen konnte, was er damit meinte, küßte er sie wieder. Und erneut jagte sein Kuß flüssiges Feuer durch ihre Adern, und ein seltsames Sehnen stieg in ihr auf. Es war, als wisse ihr Körper etwas, wovon ihr Verstand nichts ahnte.
Dennoch stemmte sie die Hände gegen seine Brust und schob ihn zurück. Er hob den Kopf und sah sie fragend an.
„Bitte nicht.“ Ihr Protest klang nicht sehr überzeugend, nicht einmal in ihren eigenen Ohren.
Sie erbebte unter seinem sinnlichen Blick.
„Es ist der Preis, den Sie zahlen müssen, wenn Sie im Nacht- gewand zu einem Mann gehen.“
„Ich bin nicht zu Ihnen gekommen! Ich dachte doch, Sie wür- den die ganze Nacht fort sein, und ...“ Sie brach ab. Sie konnte ihm ja schlecht sagen, was sie vorgehabt hatte.
„Und da dachten Sie, Sie könnten in aller Ruhe nach Ihren Pistolen suchen.“
Verstockt schwieg sie.
„Daniela, ich habe Ihnen doch schon gesagt, daß ich Ihnen die Pistolen zurückgebe, wenn Sie versprechen, nicht mehr als Gentleman Jack aufzutreten.“
„Wenn ich das tue, brauche ich meine Pistolen nicht mehr“, bemerkte sie treffend.
Er lachte auf. „Eins zu null für Sie. Also gut, dann biete ich Ihnen eine Alternative, die Ihnen sehr viel mehr Vergnügen bereiten wird.“
Daniela hatte keine Ahnung, was er damit meinte, doch eine leise Hoffnung begann in ihr zu keimen. „Und was wäre das?“
Morgans Lächeln war schier unwiderstehlich. „Erlauben Sie mir, Sie heute nacht zu lieben.“
Daniela war wie vor den Kopf geschlagen. „Was?“ stieß sie fassungslos hervor.
Er legte die Hände um ihr Gesicht und fuhr mit dem Daumen so sanft über ihre Lippen, daß das Sehnen in ihrem Innern fast unerträglich wurde.
„Sie haben mich schon verstanden.“ In den Tiefen seiner Au- gen glomm es verheißungsvoll auf. Dann senkte er den Kopf und küßte sie wieder.
Für einen Augenblick verscheuchten Hitze und Leidenschaft seines Kusses alle anderen Gedanken aus Danielas Bewußtsein. Das Sehnen in ihr wurde immer stärker. Dann plötzlich sprang die Angst in ihr auf wie jener brüllende Löwe auf dem Schild in der Bibliothek von Merrywood, und sie zuckte zurück.
„Ich verspreche, es wird dir gefallen, meine kleine Räuber- Lady.“ Morgans Stimme war so sanft und so voller Verheißung, daß Daniela sich unwillkürlich fragte, wie es wohl sein mochte, von ihm geliebt zu werden. Wundersame Gefühle strömten durch ihren Körper. Kein Mann hatte je solche Empfindungen in ihr geweckt.
Dann erinnerte sie sich an das traumatische Erlebnis mit Rigsby.
Sie dachte an sein vor Lust verzerrtes Gesicht.
Sie dachte an die brutale Gewalt, mit der er sie niedergehalten und ihr die Kleider vom Leib gerissen hatte.
Sie dachte an die Angst, den Schrecken, den Schmerz und die Erniedrigung.
An die Verletzungen und das Blut.
Und sie dachte daran, wie sie wochenlang Tag für Tag ihre
Haut abgeschrubbt hatte, um wieder sauber zu werden und die Spuren dieses Unholds von ihrem Körper zu waschen.
Helle Panik überschwemmte sie, und sie riß sich von Morgan los. „Nein!“ stieß sie wie von Sinnen hervor.
„Warum denn nicht, meine Schöne? Ich will dich, und du willst mich auch.“
„Nein!“ Ihre Angst verwandelte sich in heißen Zorn. „Wie können Sie nur glauben, ich
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