Marlene Suson 3
verschwiegene Frau ihn ihr ohne weite- res ausgehändigt. Schließlich lag die Leitung des Haushaltes ja in Lady Danielas Zuständigkeitsbereich.
Daniela steckte den Schlüssel ins Schloß. Über dem Arm trug sie einen Leinenbeutel, der oben mit einer Kordel zusammenge- zogen war.
Sekunden später war sie in Morgans Zimmer. Sorgfältig zog sie die Tür hinter sich zu und verschloß sie wieder.
Sie mußte an ihren letzten Besuch in diesem Zimmer denken, und ihre Wangen begannen vor Scham zu brennen. Morgans höhnische Worte klangen in ihr wider. Sie sind keine Jungfrau mehr. Also tun Sie auch nicht so, als ob.
Daniela ballte die Hände in hilfloser Wut. Es machte sie krank, daß er in ihr nichts anderes sah als ein flüchtiges Abenteuer, für das man sich nicht einmal besonders weit aus dem Fenster zu lehnen brauchte. Sie biß die Zähne zusammen. Andere Män- ner hatten sie ebenso falsch eingeschätzt, aber für die hatte sie nichts als Verachtung empfunden. Bei Lord Morgan war es an- ders. Daß er sie für eine leichtfertige Frau hielt, machte sie nicht nur wütend – es tat weh.
Vor ein paar Minuten hatte Daniela ihn mit Ferris weg- reiten sehen. Da sie nicht wußte, wie lange er fortbleiben würde, mußte sie sich mit ihrer Suche nach den Pistolen beeilen.
Sie mußte die Waffen unbedingt finden. Von Basil hatte sie er- fahren, daß Sir Waldo Fletcher heute abend auf Greenmont er- wartet wurde – eine willkommene Gelegenheit, ihn zu überfallen. Der Mann, der für das Elend der Grubenarbeiter verantwort- lich war, sollte dafür bezahlen. Flüchtig dachte sie an Morgans Warnung, daß Fletcher gefährlich sei, doch davon würde sie sich nicht abschrecken lassen.
Daniela durchsuchte zuerst die Schubladen der Kommode. Während sie zwischen Morgans sorgsam gefalteten Hemden nachschaute, schnürte sich ihr die Kehle zu. Er ignorierte sie völ- lig, seitdem sie ihm ins Gesicht gesagt hatte, daß er ihr zuwider wäre.
Wenn das nur wahr wäre!
Sie hatte mit aller Macht versucht, sich selbst davon zu überzeugen, doch sie war kläglich gescheitert.
Und kläglich war es auch, wie ihr seit jenem Abend zumute war. Tag für Tag mußte sie mit ansehen, wie Morgan seine ganze Aufmerksamkeit Lady Elizabeth widmete, die darüber sichtlich entzückt war. Weshalb sollte sie es auch nicht sein? Er würde sie heiraten. Daniela dagegen hatte er nur in sein Bett holen wollen. Diese Erkenntnis war so bitter wie Galle.
So oft Daniela sich auch vorbetete, daß Morgan Parnell nichts als ein oberflächlicher Bruder Leichtfuß war, konnte sie sich doch der Anziehungskraft nicht entziehen, die dieser Mann auf sie ausübte.
Methodisch durchsuchte sie alle Schubladen der Kommode, auch die, in denen sie schon bei ihrem ersten Besuch in Mor- gans Zimmer nachgesehen hatte. Als sie die unterste Schublade öffnete, entdeckte sie einen schwarzen Stoffbeutel.
Hastig griff sie danach in der Hoffnung, ihre Pistolen gefunden zu haben. Doch das Ding war so leicht, daß sie es gar nicht zu öffnen brauchte um zu wissen, daß ihre Waffen nicht darin sein konnten. In der Kommode hatte Morgan die Pistolen also nicht versteckt. Daniela warf den Beutel zurück in die Schublade und stieß sie verärgert zu.
Wo konnten die Waffen sonst noch sein? Vielleicht in dem großen Eichenschrank zwischen Bett und Fenster?
Rasch ging sie hin und öffnete den Schrank. Auch hier fand sie ihre Pistolen nicht, doch auf dem Schrankboden stieß sie auf ei- nen Holzkasten, in dem Morgan seine eigenen Pistolen verwahrte.
Ihre Griffe bestanden aus silberbeschlagenem Nußbaumholz.
Es waren die schönsten Handfeuerwaffen, die Daniela je gesehen hatte. Sie hatte eine Beschreibung von Gentleman Jacks Pistolen gelesen, doch die konnten kaum so wundervoll gearbeitet sein wie dieses Paar.
Zögernd schloß Daniela den Kasten. Zu gern hätte sie die Waffen ausprobiert, doch sie mußte ihre eigenen finden.
Sorgfältig durchsuchte sie das ganze Zimmer. Keine Spur von ihren Pistolen. Es war zum Verzweifeln! Sie konnte Sir Waldo doch nicht ohne Waffen überfallen.
Dann fiel ihr die Lösung ein. Da Morgan ihr die Pistolen weg- genommen hatte, war es nur recht und billig, wenn sie seine benutzte.
Daniela ging zurück zum Schrank, öffnete den Kasten und nahm die Waffen heraus. Sie steckte sie in den Leinensack, den sie mitgebracht hatte, und ging zur Tür.
Nachdem sie sich vergewissert hatte, daß niemand auf dem Flur war, verließ sie Morgans Zimmer.
Ein triumphierendes
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