Marlene Suson 3
würde das mit Ihnen tun?“
In Morgans Augen trat ein finsterer Ausdruck. „Warum sollte ich das nicht glauben? Sie sind keine Jungfrau mehr, also tun Sie auch nicht so, als ob. Sie sind heute im Nachthemd zu mir ins Schlafzimmer gekommen. Und Sie selbst haben mir gesagt, daß Sie sich Gilfred Rigsby hingegeben haben.“
Bei den letzten Worten verzog sein Mund sich verächtlich. Daniela hatte das Gefühl, als hätte Morgan ihr einen Dolch ins Herz gestoßen. Sie hatte sich Rigsby nicht hingegeben; er hatte sie mit Gewalt genommen. Tiefe Beschämung und Ent- täuschung wallten in ihr auf. Morgan war genau wie alle ande- ren Männer, die sie für eine willfährige Gespielin für jedermann hielten.
„Und wie ich hörte, gab es nach ihm noch andere Männer.“ Morgans Augen waren jetzt so hart wie seine Stimme. „Warum dann nicht ich?“
„Warum nicht Sie?“ zischte Daniela zornbebend. Weil du all diese schrecklichen Lügen über mich glaubst. Sie wußte, daß es keinen Sinn hatte, ihm die Wahrheit zu sagen. Er würde ihr doch nicht glauben. Niemand außer Charlotte hatte das getan.
Nicht einmal ihr eigener Bruder.
Außer sich vor hilflosem Zorn über das Unrecht, das man ihr angetan hatte, schleuderte sie Morgan entgegen: „Sie aufgeblase- ner, selbstherrlicher Weiberheld! Sie bilden sich ein, keine Frau könnte Ihnen widerstehen. Ich kann es, verlassen Sie sich drauf. Sie sind mir zuwider!“
Gekränkte Eitelkeit blitzte in seinen Augen auf. „Aber ein Straßenräuber wie Gentleman Jack ist Ihnen nicht zuwider, nein? Ihn würden Sie zweifellos mit Freuden in Ihr Bett lassen.“
Morgans hörbare Verachtung für ihr Idol war mehr, als Da- niela ertragen konnte. „Ja, das würde ich!“ schrie sie mit er- stickter Stimme. „Gentleman Jack ist ein Mann, dem Sie nicht das Wasser reichen können.“
Sie drehte sich auf dem Absatz um und hastete zur Tür. Sie
mußte hinaus, bevor sie in Tränen ausbrach. Morgan sollte sie nicht weinen sehen.
Verzweifelt riß sie am Türknauf, doch er gab nicht nach. „Sie haben mich eingeschlossen!“
„Das haben Sie selbst besorgt“, erinnerte er sie kalt.
Daniela fuhr zu ihm herum. „Wo ist der Schlüssel?“ Ihr Kinn zitterte, und sie fürchtete, die Tränen nicht länger zurückhalten zu können.
In dem Blick, mit dem er sie betrachtete, lagen Kälte und Ver- achtung. Dann nahm er die brennende Kerze von der Kommode. „Auf dem Bett. Ich hole ihn.“
Mit der Kerze in der Hand ging er zum Bett, nahm den Schlüs- sel, den er dort hingeworfen hatte, und kam zurück zur Tür. Er steckte den Schlüssel ins Schloß.
Daniela wäre am liebsten sofort hinausgestürzt, doch er hielt sie zurück. „Ich will zuerst auf dem Flur nachsehen.“
„Da Sie sich um meinen Ruf ja wohl keine Gedanken machen, fürchten Sie offenbar, daß ich den Ihren ruiniere, ja?“ höhnte sie.
Ohne ihre Worte zu beachten, sagte er ruhig: „Alles in Ordnung, die Luft ist rein.“
Er ließ sie los, und sie hastete den Flur hinunter zu ihrem Zimmer.
Morgan schaute Daniela nach. Ihr wundervolles Haar wehte ihr um den Kopf wie ein flackerndes Feuer.
Sie war fort, doch Morgans erregter Körper schmerzte vor Ver- langen. Aber viel mehr noch schmerzte die Wunde, die sie seinem Stolz zugefügt hatte. Er war daran gewöhnt, jede Frau zu bekom- men, nach der ihm der Sinn stand. Sie bilden sich ein, keine Frau könnte Ihnen widerstehen. Ich kann es, verlassen Sie sich darauf.
Wieder und wieder hörte er im Geist ihre hitzig hervorgestoße- nen Worte. Es ergrimmte Morgan aufs äußerste, daß eine Frau, die sich einem Nichts wie Rigsby und noch anderen Männern hingegeben hatte, ihm einen Korb gab. Wieso Rigsby und nicht er?
Daniela war also der Meinung, daß er, Morgan, Gentleman Jack nicht das Wasser reichen konnte. Wie überrascht sie wohl sein würde, wenn ihr der Held ihrer Träume leibhaftig begegnen würde!
Vielleicht wäre es keine so schlechte Idee, eine solche Begeg- nung zu arrangieren ...
12. KAPITEL
Daniela drehte am Türknauf von Morgans Schlafgemach und fand die Tür verschlossen. Seitdem sie vor drei Tagen in sein Zimmer eingedrungen war und ihn dort angetroffen hatte, schloß er seine Tür immer ab, wenn er das Zimmer verließ, und nahm den Schlüssel mit.
Was er nicht wissen konnte, die Haushälterin hatte Zweit- schlüssel für alle Zimmer im neueren Teil des Hauses. Als Daniela sie um den Zweitschlüssel für Morgans Zimmer bat, hatte die von Natur aus diskrete und
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