Mars 01 - Die Prinzessin vom Mars
ich aus meinem Versteck alles verfolgen, was im Gemach vor sich ging, als seien sie von meiner Seite aus durchsichtig.
Kaum hatte ich meinen Posten bezogen, teilten sich die Gobelins auf der gegenüberliegenden Seite des Gemaches und vier Gardesoldaten erschienen, die eine weibliche Gestalt mit sich führten. Einige Schritte vor Than Kosis traten die Soldaten beiseite, und vor dem Jeddak, keine zehn Fuß von mir entfernt, stand Dejah Thoris, deren wunderschönes Gesicht vor Freude strahlte.
Sab Than, der Prinz von Zodanga, ging ihr entgegen, dann schritten sie Hand in Hand zum Jeddak. Kosis blickte überrascht auf, erhob sich und begrüßte sie.
»Welch seltsamer Laune habe ich diesen Besuch der Prinzessin von Helium zu verdanken, die mir noch vor zwei Tagen mit nur geringer Rücksicht auf meinen Stolz versicherte, daß sie Tal Hajus, den grünen Thark, meinem Sohn vorziehen werde?«
Doch Dejah Thoris lächelte nur um so mehr und antwortete mit verschmitzten Grübchen an den Mundwinkeln: »Seit jeher auf Barsoom gehört es zum Vorrecht der Frau, ihre Meinung zu ändern, wie es ihr beliebt, und sich in Herzensangelegenheiten zu verstellen. Du wirst mir vergeben, Than Kosis, wie es bereits dein Sohn getan hat. Vor zwei Tagen war ich von seiner Liebe nicht überzeugt, doch jetzt bin ich es und komme, um dich zu bitten, mir die unbedachten Worte zu verzeihen und die Zusage der Prinzessin von Helium anzunehmen, Sab Than, den Prinz von Zodanga, zu heiraten, wenn die Zeit gekommen ist.«
»Ich bin glücklich über deine Entscheidung«, entgegnete Than Kosis. »Nichts liegt mir ferner, als den Krieg mit Helium weiter voranzutreiben. Wir werden dein Versprechen zu Protokoll nehmen und meinem Volk unverzüglich eine Erklärung abgeben.«
»Es wäre besser, damit auf das Ende des Krieges zu warten, Than Kosis«, erwiderte Dejah Thoris. »Würde es meinem und deinem Volk doch in der Tat seltsam vorkommen, wenn die Prinzessin von Helium inmitten der Feindseligkeiten den Gegner ihres Volkes heiratet.«
»Können wir den Krieg nicht sofort beenden?« fragte Sab Than.
»Ein Wort von Than Kosis, und es herrscht Frieden. Bitte, Vater, sprich das Wort aus, das mich dem Glück näherbringt und diesen unpopulären Zwist beendet.«
»Wir werden sehen, ob das Volk von Helium auch daran interessiert ist. Ich werde ihnen zumindest ein Friedensangebot unterbreiten«, entgegnete Than Kosis.
Nach einigen Worten wandte sich Dejah Thoris ab und verließ, weiterhin unter Bewachung, das Gemach.
So lag das Gebäude, das ich mir in meinem kurzen Traum vom Glück errichtet hatte, zerborsten und zerbrochen auf dem Boden der Realität. Die Frau, der ich mein Leben angeboten und von deren Lippen ich kürzlich erst die Bestätigung vernommen hatte, daß sie mich liebe, hatte meine Existenz bereits vergessen und sich freudestrahlend dem Sohn des Erzfeindes ihres Volkes an den Hals geworfen.
Obwohl ich es mit eigenen Ohren vernommen hatte, konnte ich es nicht glauben. Ich mußte sie finden und zwingen, die grausame Wahrheit in meiner Gegenwart zu wiederholen, bevor ich endgültig davon überzeugt war. So verließ ich meinen Posten und eilte hinter der Teppichwand zu der Tür, durch die sie verschwunden war. Leise schlüpfte ich hinaus und fand mich in einem Labyrinth von gewundenen Gängen, die sich hier und da verzweigten und ständig irgendwohin abbogen.
Schnell lief ich den ersten entlang, dann einen zweiten, und bald hatte ich mich hoffnungslos verirrt und lehnte keuchend an der Wand, als ich in der Nähe Stimmen vernahm. Offensichtlich kamen sie von der gegenüberliegenden Seite, und bald erkannte ich Dejah Thoris. Zwar verstand ich nicht, was sie sagte, doch ein Irrtum war ausgeschlossen.
Nach wenigen Schritten entdeckte ich einen zweiten Gang, an dessen Ende sich eine Tür befand. Ich lief schnurstracks darauf zu und stürmte in das dahinterliegende Zimmer, einen kleinen Vorraum, wo sich jene vier Wachposten aufhielten, die sie zuvor begleitet hatten. Einer von ihnen erhob sich sofort, trat auf mich zu und fragte nach meinem Begehr.
»Ich komme von Than Kosis und möchte mit Dejah Thoris, der Prinzessin von Helium, unter vier Augen sprechen«, entgegnete ich.
»Und dein Auftrag?« fragte er.
Ich wußte nicht, was er meinte, entgegnete jedoch, daß ich Mitglied der Garde sei, und schritt ohne auf seine Antwort zu warten, auf die gegenüberliegende Tür zu, hinter der ich Dejah Thoris reden hörte.
Doch so einfach ließ man mich nicht
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