Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars
kürzeren Tage - und die wurden jetzt rasch kürzer mit dunklen Wetterfronten, die etwa jede Woche durchzogen und schmutzigweißen Schnee aus schwarzen, bauchigen Cumulunimbuswolken abluden. In der zweiten Stufe hörte das Wachstum auf, Kohlenhydrate wanderten in die Wurzeln, und abschneidende Säure sammelte sich in einigen Blättern, bis diese abfielen. Sax fand Mengen von diesen Blättern, die vergilbt oder braun noch an ihren Stengeln hingen, den Boden bedeckten und der noch lebenden Pflanze mehr Isolation boten. Während dieser Stufe bewegte sich Wasser aus den Zellen in interzellulare Eiskristalle, und die Zellmembranen wurden dicker, während Zuckermoleküle in einigen Proteinen Wasser ersetzten. Dann, in der dritten und kältesten Stufe, bildete sich glattes Eis um die Zellen herum, ohne sie zu zerbrechen, in einem Prozeß, den man als Vitrifikation (Verglasung) bezeichnete.
An dieser Stelle konnten die Pflanzen Temperaturen bis hinab zu 220 Kelvin vertragen, was ungefähr die durchschnittliche Temperatur auf dem Mars vor ihrer Ankunft gewesen war, aber jetzt auch noch oft erreicht wurde. Und der Schnee, der in den immer häufiger werdenden Stürmen fiel, diente den Pflanzen praktisch zur Isolation, indem er den Boden, auf dem er lag, wärmer hielt als die windige Oberfläche.
Während Sax mit taub gewordenen Fingern in dem Schnee wühlte, fand er das Milieu darunter faszinierend, besonders die Anpassungen an das spektral blau gefilterte Licht, das durch drei Meter Schnee drang - wieder ein Beispiel für Rayleighstreuung. Er hätte diese Winterwelt gern alle sechs Monate der Saison selbst studiert. Es gefiel ihm unter den niedrigen dunklen Wolkenwellen auf der weißen Fläche des beschneiten Gletschers, wenn er sich gegen den Wind stemmte und durch Driften stapfte. Aber Claire wollte, daß er nach Burroughs zurückkehrte und in den dortigen Labors an einer Tundra-Tamariske arbeitete, mit der sie unter simulierten Freiland-Bedingungen kurz vor dem Erfolg standen. Und Phyllis und der Rest der Gruppe von Armscor und der Übergangsbehörde gingen auch zurück. So überließen sie eines Tages die Station einer kleinen Mannschaft von Forschern und Gärtnern, bestiegen eine Wagenkarawane und fuhren zusammen nach Süden.
Sax hatte gemurrt, als er hörte, daß Phyllis und ihre Gruppe mit ihnen zurückkehren würden. Er hatte gehofft, daß bloße physische Trennung die Beziehung mit Phyllis beenden und ihn von diesem kontrollierenden Auge entfernen würde. Da sie aber beide gemeinsam zurückgingen, sah es so aus, als sollte irgendeine Maßnahme ergriffen werden. Er müßte also Schluß machen, wenn er ein Ende wollte. Und das tat er auch. Die ganze Idee eines Verhältnisses mit ihr war von Anfang an schlecht gewesen. Reden über die Flut des Unerklärlichen! Aber die Flut war vorbei, und ihm blieb die Gesellschaft einer Person, die bestenfalls aufreizend war und schlimmstenfalls gefährlich. Und natürlich war es kein angenehmer Gedanke, daß er die ganze Zeit in falscher Überzeugung gehandelt hatte. Kein Schritt auf dem Weg war ihm mehr als nur unbedeutend erschienen, aber alle zusammen ergaben etwas ziemlich Monströses.
Als daher an ihrem ersten Abend in Burroughs sein Armband piepte und Phyllis erschien, um ihn zum Dinner herauszubitten, sagte er zu, beendete den Anruf und knurrte mürrisch vor sich hin. Es würde ungemütlich werden.
Sie gingen aus in ein Patiorestaurant, das Phyllis auf dem Ellis-Hügel kannte, westlich von Hunt Mesa. Auf Phyllis' Wunsch hin erhielten sie einen Ecktisch mit Blick auf den hohen Distrikt zwischen Ellis und Table Mountain, wo die Haine von Princess Park von neuen Häusern umgeben waren. Gegenüber dem Park hatte Table Mountain so gläserne Wände, daß er wie ein riesiges Hotel aussah. Und die entfernteren Mesas waren nicht weniger glänzend.
Kellner und Kellnerinnen brachten eine Karaffe mit Wein und das Essen. Dadurch wurde das Geplapper von Phyllis unterbrochen, in dem es zumeist über die Neukonstruktion auf Tharsis ging. Sie schien aber sehr gern mit den Kellnern und Kellnerinnen zu plaudern.
Sie signierte Servietten für sie und fragte, woher sie kämen, wie lange sie schon auf dem Mars wären und so weiter. Sax aß ruhig und beobachtete Phyllis sowie Burroughs. Er wartete darauf, daß das Mahl ein Ende nehmen würde. Es schien stundenlang zu dauern.
Aber endlich waren sie fertig und fuhren mit dem Aufzug zum Talboden hinunter. Der Aufzug brachte Erinnerungen an ihre
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