Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars
»Seht euch die kreisförmige Anordnung der Gebäude an! Das ist bogdanovistische Architektur oder etwas Ähnliches.«
»Kein Bogdanovist hat das je mir gegenüber erwähnt«, sagte Cojote. »Ich glaube nicht, daß jemand von ihnen einmal in dieser Gegend gewesen ist. Das ist hier ziemlich entlegen.« Er schaute sich um, durch die Visierscheibe war ein Grinsen zu erkennen. »Da muß jemand allerhand Zeit damit verbracht haben.«
»Menschen machen seltsame Dinge«, sagte Spencer.
Nirgal wanderte um die Ränder des Konstrukts herum, ignorierte das Gerede im Interkom und schaute in ein undeutliches Gesicht nach dem anderen und in Toreingänge aus weißem Stein und weiße Steinfenster. Sein Blut wallte. Es war, als ob der Bildhauer den Platz angefertigt hätte, um zu ihm zu sprechen, um ihn mit seiner Vision zu treffen. Die weiße Welt seiner Kindheit, die direkt in das Grün hinausstieß - oder hier draußen ins Rot...
Und es war etwas Friedliches an diesem Ort. Nicht einfach die Stille, sondern die wunderbare Entspannung in all diesen Figuren, in der fließenden Ruhe ihrer Haltungen. So konnte der Mars sein. Kein Sichverstecken mehr, kein Streit mehr. Die Kinder liefen auf dem Markt herum, die Löwen spazierten wie Katzen zwischen ihnen ...
Nach einem ausgedehnten Rundgang durch die Alabasterstadt kehrten sie zum Wagen zurück und fuhren weiter. Etwa fünfzehn Minuten später entdeckte Nirgal noch eine Statue, nur ein weißes Basrelief, das aus der Klippe gegenüber der Stadt auftauchte. »Die Medusa selbst«, sagte Spencer und unterbrach seinen nächtlichen Trunk. Das basiliskische Starren der Gorgo war direkt zurück auf die Stadt gerichtet, und die steinernen Schlangen ihres Haares wanden sich von ihrem Haupt fort und zurück zur Klippe, als ob der Fels sie bei ihrem Pferdeschwanz aus Schlangen gepackt hätte und verhinderte, daß sie völlig aus dem Planeten herausschwebte.
»Wunderschön«, sagte Cojote. »Erinnere dich an dieses Gesicht! Wenn es nicht ein Selbstbildnis des Bildhauers ist, irre ich mich sehr.« Er fuhr weiter, ohne anzuhalten, und Nirgal starrte neugierig auf das steinerne Gesicht. Es schien asiatisch zu sein, obwohl das vielleicht nur daher rührte, daß das Schlangenhaar nach hinten gezogen war. Er versuchte, sich die Gesichtszüge einzuprägen in dem Gefühl, daß es sich um etwas handelte, das er schon wußte.
Sie kamen vor der Dämmerung aus dem MedusaCanyon heraus und machten halt, um sich den Tag über zu verstecken und ihre nächste Strecke festzulegen. Jenseits des Burton-Kraters, der vor ihnen lag, durchschnitten die Memnonia Fossae das Land von Osten nach Westen über Hunderte von Kilometern und blockierten ihren Weg nach Süden. Sie mußten nach Westen ausweichen, auf die Krater Williams und Ejrikson zu, dann wieder nach Süden in Richtung Columbus-Krater und sich danach weiter südlich durch eine schmale Lücke in den Sirenum Fossae winden - und so weiter. Sie vollführten einen ständigen Tanz um Krater, Spalten, Böschungen und Löcher herum. Die Gebirge des Südens waren äußerst rauh im Vergleich mit den glatten Landschaften des Nordens. Art machte eine Bemerkung über diesen Unterschied, und Cojote sagte mürrisch: »Mensch, das ist ein Planet. Da gibt es alle Arten von Land.«
Jeden Tag erwachten sie nach einem Wecker, der auf eine Stunde vor Sonnenuntergang gestellt war, und verbrachten das letzte Tageslicht mit dem Verzehr eines dürftigen Frühstücks und dem Betrachten der grellen Farben des Alpenglühens, vermischt mit den Schatten über der zerklüfteten Landschaft. Dann fuhren sie jede Nacht, ohne den Autopiloten überhaupt benutzen zu können, Kilometer um Kilometer durch das rauhe Terrain. Nirgal und Art übernahmen meistens zusammen die zweite Nachtschicht und setzten ihre langen Unterhaltungen fort. Wenn dann die Sterne verblaßten und das reine Violett der Frühdämmerung den Osthimmel färbte, suchten sie Stellen, wo der Felswagen unauffällig sein würde - in dieser Breite das Werk eines Augenblicks, da man nur anzuhalten brauchte, wie Art sagte. Sie nahmen eine gemütliche Mahlzeit zu sich und betrachteten das grelle Licht des Sonnenaufgangs und die plötzlich von ihm geschaffenen großen Schattenwürfe. Einige Stunden später nach einer Planungsbesprechung und gelegentlichen Ausflügen ins Freie verdunkelten sie die Frontscheibe und schliefen den ganzen Tag durch.
Am Ende eines solchen langen nächtlichen Gesprächs über ihrer beiden Kindheiten
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