Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
Vom Netzwerk:
bewußt. Sie kam auf den Gedanken, daß gerade in Momenten größter Not die Menschen am wenigsten füreinander tun konnten.
    Sie stand auf und gab Spencer etwas Tee. Dabei vermied sie, das blasse Bild ihres Gesichts im Küchenfenster anzuschauen, das verkniffene harte Geierauge, das sie nie ertragen konnte. Man kann nie zurückschauen.
    Im Moment konnte man nichts weiter tun als dazusitzen und die Nacht herumzubringen. Zu versuchen, die Nachricht zu verarbeiten und ihr zu widerstehen. So saßen sie nur da, redeten und hörten zu, wie Marina die Geschichte in immer größerem Detail erzählte. Sie tätigten auf den Verbindungen von Praxis Anrufe, um mehr herauszufinden. Sie waren schlapp und stumm in ihren eigenen Überlegungen, jeder in seinem einsamen Universum gefangen. Die Minuten vergingen wie Stunden und die Stunden wie Jahre. Es war die höllisch verschlungene Raumzeit der gänzlichen Nachtwache, das älteste der menschlichen Rituale, wenn Menschen ohne Erfolg einer blinden Katastrophe Sinn abzugewinnen suchen.
     
    Als endlich die Dämmerung kam, war der Himmel bedeckt und die Kuppel mit Regentropfen besprüht. Einige qualvoll langsame Stunden später begann der Prozeß, mit allen Gruppen in Odessa Verbindung aufzunehmen. Im Laufe dieses und des nächsten Tages verbreitete sich die Nachricht, die von Mangalavid und den anderen Nachrichtendiensten unterdrückt worden war. Aber allen war klar, daß etwas geschehen war wegen des plötzlichen Fehlens von Sabishii bei den gewöhnlichen Gesprächen, sogar in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse. Gerüchte flogen hin und her und gewannen an Schwung mangels verläßlicher Nachrichten. Sie reichten von Sabishiis Unabhängigkeit bis zu seiner Ausradierung. Aber in den angespannten Versammlungen der folgenden Woche berichteten Maya und Spencer jedem, was Marina gesagt hatte; und dann verbrachten sie die anschließenden Stunden mit Beratungen, was man machen könnte. Maya tat ihr Bestes, um die Leute zu überreden, sich nicht zu Aktionen drängen zu lassen, ehe sie bereit wären. Aber das war ein mühsames Unterfangen. Die Leute waren wütend und erschreckt, und es gab in dieser Woche viele Vorfälle in der Stadt und Umgebung von Hellas und auf dem ganzen Mars - Demonstrationen, kleinere Sabotagen, Angriffe auf Stellungen und Personal des Sicherheitsdienstes, Ausfälle großer Computer, Verlangsamungen bei der Arbeit. »Wir müssen ihnen zeigen, daß wir uns so etwas nicht gefallen lassen können!« sagte Jackie im Netz. Sie schien überall gleichzeitig zu sein. Selbst Art stimmte ihr zu: »Ich denke, zivile Proteste durch die allgemeine Bevölkerung, soviel wir nur aufbringen können, könnte sie bremsen. Könnte bewirken, daß diese Schufte es sich zweimal überlegen, ehe sie wieder so etwas tun.«
    Nichtsdestoweniger stabilisierte sich die Lage nach einiger Zeit. Sabishii kehrte ins Netz und zu Bahnfahrplänen zurück, und das Leben fing dort wieder an, obwohl es nicht mehr dasselbe war wie zuvor, da eine große Polizeimacht als Besatzung dablieb, welche die Tore und den Bahnhof überwachte und sich bemühte, alle Hohlräume im Labyrinth der Halde aufzufinden. Während dieser Zeit führte Maya eine Reihe langer Gespräche mit Nadia, die in South Fossa arbeitete, und mit Nirgal und Art und sogar mit Ann, die von einem ihrer Verstecke in Aureum Chaos anrief. Sie waren sich alle einig, daß sie sich, ganz gleich, was in Sabishii geschehen wäre, im Moment jedes Versuchs einer allgemeinen Erhebung enthalten müßten. Sogar Sax rief bei Spencer an, um zu sagen, daß er >Zeit brauchen Was Maya tröstlich fand, da es ihre Überzeugung stützte, daß die Zeit noch nicht gekommen war. Daß man sie provozieren würde in der Hoffnung, vorzeitig eine Revolte zu versuchen. Ann, Kasei, Jackie und die anderen Radikalen - Harmakhis, Antar, sogar Zeyk - waren über das Warten unglücklich und pessimistisch hinsichtlich seines Sinnes. Maya sagte ihnen: »Ihr versteht nicht. Da draußen wächst eine ganze neue Welt heran, und je länger wir warten, desto stärker wird sie. Haltet nur durch!«
    Dann bekamen sie etwa einen Monat nach der Schließung von Sabishii auf ihren Armbandgeräten eine kurze Mitteilung von Cojote - einen kurzen Ausschnitt mit seinem schiefen Gesicht, das ungewöhnlich ernst aussah, wonach er durch das Labyrinth geheimer Tunnels in der Moholehalde entkommen wäre und sich jetzt in einem seiner Verstecke befände. »Was ist mit Hiroko?« fragte Michel sofort.

Weitere Kostenlose Bücher