Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars
Versammlungsraum. Sie nahmen auf Couchen Platz, die in einem Quadrat angeordnet waren. Große Aussichtsfenster in allen vier Wänden ließen viel von dem grauen Licht des Morgens ein. Der Fahrer saß zwischen zwei Couchen auf einem Stuhl. Er sagte: »Ich bin William Fort. Ich freue mich, daß Sie alle hier sind.«
Er war bei näherer Betrachtung ein seltsam aussehender alter Mann. Sein Gesicht war runzlig wie von hundert Jahren der Angst, aber die Miene, die es laufend zeigte, war heiter und gelöst. Wie ein Schimpanse mit Laborerfahrung, der jetzt Zen studiert, dachte Art. Oder bloß ein sehr alter Surfer oder Gleitflieger, verwittert, kahl und stupsnäsig. Jetzt musterte er sie einem nach dem andern. Sam und Max, die ihn als Fahrer und Koch nicht beachtet hatten, sahen unbehaglich aus; aber er schien davon keine Notiz zu nehmen. Er sagte: »Ein Anzeichen dafür, wie voll die Welt von Menschen und deren Aktivitäten ist, ist die prozentuale Verwendung des Nettoprodukts der bodenständigen Photosynthese.«
Sam und Max nickten, als ob das die übliche Art wäre, eine Versammlung zu eröffnen.
»Darf ich mir Notizen machen?« fragte Art.
»Bitte«, sagte Fort. Er zeigte auf den Kaffeetisch in der Mitte des Quadrats aus Couchen, der von Papieren und Textgeräten bedeckt war. »Ich möchte später einige Spiele veranstalten, darum sind hier Textgeräte und Notizblöcke, ganz wie Sie mögen.«
Die meisten hatten ihre eigenen Lesegeräte mit; und es gab ein kurzes stilles Durcheinander und Gelaufe, als sie sie holten. Inzwischen stand Fort auf und ging hinter ihren Couchen im Kreis herum, wobei er bei jeder Runde ein paar Sätze sprach.
Er sagte: »Wir nutzen jetzt ungefähr achtzig Prozent des Nettoprimärprodukts bodengebundener Photosynthese. Hundert Prozent sind wahrscheinlich unmöglich zu erreichen. Und unsere Kapazität auf weite Sicht wurde auf dreißig Prozent geschätzt, so daß wir massiv übers Ziel hinausschießen, wie man sagt. Wir haben unser natürliches Kapital liquidiert, als ob es ein verfügbares Einkommen wäre, und nähern uns der Erschöpfung gewisser Grundvorräte wie Öl, Holz, Boden, Metalle, Süßwasser, Fisch und Vieh. Das macht eine kontinuierliche ökonomische Expansion schwierig.«
Schwierig! schrieb Art. Kontinuierlich?
»Wir müssen fortfahren«, sagte Fort und warf Art einen scharfen Blick zu, der sein Notizgerät unauffällig mit dem Arm abdeckte. »Kontinuierliche Expansion ist ein fundamentaler Satz der Ökonomie. Und deshalb ein fundamentaler Grundsatz des Universums selbst. Denn alles ist Ökonomie. Physik ist kosmische Ökonomie; Biologie ist zellulare Ökonomie, die Geisteswissenschaften sind soziale Ökonomie, Psychologie ist mentale Ökonomie und so weiter.«
Seine Hörer lauschten mißmutig.
»Also expandiert alles. Aber das kann nicht geschehen im Widerspruch zum Gesetz der Erhaltung von Materie und Energie. Ganz gleich, wie wirksam Ihr Output ist, Sie können ihn nicht größer machen als den Input.«
Art notierte: Output nicht größer als Input - alles ist Ökonomie - natürliches Kapital - massiv überzogen.
»Als Reaktion auf diese Situation hat eine Gruppe hier bei Praxis an etwas gearbeitet, das wir volle Weltökonomie nennen.«
»Sollte das eine überfüllte Welt sein?« fragte Art.
Fort schien ihn nicht zu hören. »Nun sind, wie Daly sagte, von Menschen erzeugtes Kapital und natürliches Kapital nicht austauschbar. Das liegt auf der Hand; aber da die meisten Ökonomen es immer noch für austauschbar erklären, muß man das betonen. Wenn Sie ein Haus bauen, können Sie mit der Anzahl von Motorsägen und Zimmerleuten jonglieren, was bedeutet, daß sie austauschbar sind; aber Sie können es nicht mit der halben Menge an Bauholz erbauen, ganz gleich, wie viele Sägen oder Zimmerleute Sie haben. Versuchen Sie es, und Sie haben ein Luftschloß. Und in einem solchen leben wir jetzt.«
Art schüttelte den Kopf und blickte auf seine Notizseite, die er wieder gefüllt hatte. Ressourcen und Kapital nicht austauschbar - Motorsägen/Zimmerleute - Luftschloß.
»Verzeihung!« sagte Sam. »Sagten Sie natürliches Kapital?«
Fort drehte sich schroff um und sah Sam an. »Ja?«
»Ich dachte, Kapital wäre definitionsgemäß von Menschen gemacht. Die erzeugten Produktionsmittel, wie wir es zu definieren gelernt haben.«
»Ja. Aber in einer kapitalistischen Welt hat das Wort Kapital immer mehr verschiedene Anwendungen bekommen. Zum Beispiel sprechen die Leute von
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