MARS (XUN Ebook-Edition) (German Edition)
lange.
„Darf ich dorthin, wohin wir gehen, wenigstens meinen Kuschel-Wuwu mitnehmen?“, fragte das Mädchen dann leise, mit schüchtern klingender Stimme.
„Ich weiß es nicht, Anisha.“ Garzin hielt es für richtig, aufrichtig zu seiner Tochter zu sein. „Aber wenn wir ausgewählt werden, frage ich ganz bestimmt für dich nach. Versprochen!“
Damit gab sich Anisha zunächst zufrieden. Die Familie selbst hatte zu einer gemeinsamen, einstimmigen Entscheidung gefunden. Solchermaßen moralisch gestärkt, begab sich Garzin in sein Arbeitszimmer, zog den Kommunikator an sich heran und wählte ohne zu zögern die Anschlussnummer, die er vom Medokteur erhalten hatte.
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Als er wenige Minuten später wieder in den gemeinsamen Wohnraum trat, schien er etwas verstört und sein Gesicht zeigte eine Blässe von frisch gefallenem Schnee.
„Garzin!“, rief Enide besorgt aus. „Was ist …?“
Ihr Mann hob seine Hand und bedeutete mit müder Geste, dass alle bitte schweigen sollten. Er musste sich erst einen Moment sammeln. Dann begann er mit leiser Stimme von seinem Anruf zu berichten.
„Ich muss mit der mir überlassenen Nummer direkt in einer Regierungsbehörde gelandet sein ...“, schilderte er. „Mein Gesprächspartner trug die orangene Uniform der Administration. Man fragte nur kurz, woher ich die Nummer hätte, worauf ich antwortete, sie von einem Mitarbeiter des Rettungsprogramms der Regierung im Vertrauen bekommen zu haben.“
„Und dann?“, stelle Menfud gespannt eine Zwischenfrage.
„Dann wollte der Mann wissen, ob wir die Nummer oder Informationen über das Programm anderweitig preisgegeben hätte. Das verneinte ich entschieden ...“ Garzin brach ab.
„Was jetzt?“, begehrte Menfud auch prompt auf. „Nicht aufhören, weiter erzählen!“
Sein Vater hob den Kopf und schaute zuerst seinen Sohn, dann seine Tochter und seine Ehefrau der Reihe nach an.
„Wir werden interniert. Zu unserer eigenen Sicherheit und zur Sicherheit des Programms. Man will kein Risiko eingehen, dass Informationen darüber zu früh an die Öffentlichkeit geraten, um die unweigerlich folgende Massenpanik nicht vorzeitig ausbrechen zu lassen. Wir dürfen jeder ein paar Erinnerungsstücke einpacken, die nicht mehr als 1 Kilogramm pro Person wiegen dürfen. Sonst nichts!“
Seine Familie schaute ihn geschockt an, wobei Anisha eher mehr verwirrt von den Eröffnungen ihres Vaters geworden war.
„Wa … Wann?“, fragte Enide, mühsam nach Fassung ringend.
„Man kann jeden Moment an unsere Tür klopfen!“, lautete Garzins tonlose Antwort. „Wir sollten uns deshalb beeilen, das auszusuchen, was wir mit uns nehmen möchten ...“
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Tatsächlich stand nur 45 Minuten später eine Einsatztruppe des Ministeriums für innere Sicherheit vor der Tür der Aschos-Wohnung. Der 10-Köpfige, orange gekleidete Trupp schüchterte die Familie gehörig ein. Doch sie gaben sich zwar streng, aber sehr freundlich. Nochmals wurde betont, dass die Internierung in einem Lager bis zur Entscheidung über ihren Antrag über die Aufnahme in das Evakuierungsprogramm der Regierung zur eigenen Sicherheit erfolgte. Bis zu einem gewissen Grad sahen das Garzin und Enide auch ein. Doch der überstürzte Aufbruch und das zurücklassen fast allen Hab und Gutes bedrückte sie doch. Wenigstens konnte Anisha ihr geliebtes Kuschel-Wuwu mit sich nehmen. Als die vier Familienmitglieder in einem Elekro-Kastenwagen Platz genommen hatten, blickte keiner von ihnen zurück. Sie wussten, dass sie nur die Alternative hatten, darauf zu hoffen, in die Kavernen zu dürfen, oder – zu sterben!
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Fast sieben Zehnttage verbrachte Familie Aschos in einem abgeschirmten Internierungslager, ohne Kontakt zu Freunden oder Verwandten. Sicher, man versorgte sie gut. Die Kinder bekamen Unterricht und wurden betreut, es gab reichlich Freizeitangebote. Und doch waren sie und die mindestens 5000 weiteren, im Lager befindlichen Personen, Gefangene. Nicht im Sinne von verurteilten Verbrechern, sondern Gefangene der Umstände. Und obschon keiner von ihnen wusste, ob man sie für die Evakuierung mit den im Bau befindlichen Raumschiffen auswählen würde. Wussten doch alle, dass eine Rückkehr in ihr normales Leben nicht möglich sein würde. Denn es gab kein normales Leben mehr auf Marszan. Bald würde es gar kein Leben mehr auf dem Planeten geben. Zumindest nicht an der Oberfläche.
Am 1. Tag des 8. Zehnttages herrschte Unruhe im Internierungslager.
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