Marschfeuer - Kriminalroman
festlich geschmückten Tische glitt. Das für Polizei,
Krankenhauspersonal und Feuerwehren ausgerichtete Blaulichtfest hatte an die
zweihundert Leute angezogen.
Wo war Hendrik? Wo saßen
die Kollegen?
»Oh, hallo, Lyn«, hörte
sie eine Stimme neben sich. Lyn wandte den Kopf.
Barbie. In einem
pinkfarbenen, wallenden Kleid mit einem Dekolleté, das Lyn Scham fühlen ließ.
Oder … war es Neid? Lyn war sich nicht sicher.
»Die Kollegen sitzen da
hinten«, sagte die Blondine nach einem ebenfalls suchenden Blick über die Menge
und tänzelte los. Jetzt sah auch Lyn den winkenden Arm Hendriks.
Sie folgte Barbara
Ludowig und musste gleich darauf feststellen, dass es von Vorteil gewesen wäre,
wenn sie den Tisch zuerst erblickt hätte. Denn auf den einzigen freien Stuhl,
zwischen Hendrik und Wilfried Knebel, setzte sich jetzt Ballkleid-Barbie.
Hendrik schien zu
verblüfft, um einen Ton herauszubringen.
Wilfried sah von seiner
Nichte zu Lyn. »Jetzt haben wir einen Platz zu wenig.« An dem Achter-Tisch
saßen neben den Knebels und Hendrik noch Karin Schäfer und Mann und Thilo
Steenbuck mit seiner Frau. Und Barbie.
»Möchtest du noch mit an
unseren Tisch, Lyn?«, fragte Wilfried jetzt. »Dann rücken wir zusammen und
holen dir einen Stuhl. Zum Essen wird’s dann zwar etwas eng, aber das kriegen
wir schon hin. Die Alternative wäre der Nebentisch.«
»Setz dich zu uns, Lyn«,
erklang Lukas Salamands Stimme vom Nebentisch.
»Eigentlich hatte ich
diesen Stuhl für Lyn …«, begann Hendrik, der seine Sprache wiedergefunden
hatte.
»Ist schon okay«, wurde
er von Lyn unterbrochen, »bei Lurchi und seiner Frau ist ja noch Platz.«
Ein Blick in Hendriks
Augen machte ihr klar, dass das die falsche Antwort gewesen war. Zweifellos
wollte er die Frau, die er liebte, neben sich wissen, und nicht am
Nachbartisch.
Eine halbe Stunde später
schaffte Lyn es, sich am kalten Büfett neben ihm zu platzieren.
»Böse?«, fragte sie mit
Hundeblick und streifte wie unabsichtlich seine Hand, die mit dem Befüllen des
Tellers beschäftigt war.
»Ich kann die Antipasti
empfehlen«, sagte er, ohne sie anzublicken, griff über ihre Hand hinweg nach
einem Brot und ging zu seinem Tisch zurück.
Shit! In Lyns Brust zog sich etwas schmerzhaft
zusammen, als sie ihm nachblickte.
»Du musst unbedingt von
dem Fischsalat nehmen«, ertönte Wilfrieds Stimme neben ihr, »sehr lecker!«
»Nein, danke«, wehrte
Lyn ab. »Ich hasse Fisch.«
»Da haben wir ja etwas
gemeinsam, Lyn«, flötete Ballkleid-Barbie hinter ihrem Onkel.
Anscheinend nicht nur
das, dachte Lyn, denn Barbara Ludowigs Blick folgte ebenfalls Hendrik.
»Ja dann, Prosit, meine
Damen!« Karin Schäfer stieß mit ihrer Sektflöte gegen die Gläser der anderen
Frauen. »Auf einen schönen Abend.«
Sie standen an der
kleinen Sektbar am Ende des Saales, direkt neben der Bühne mit der Band. Karin
hatte die Kollegen-Frauen eingeladen, nachdem die Männer der Mordkommission
sich zu einem Verteiler an den Tresen begeben hatten.
Lyn nahm einen tiefen
Schluck von dem prickelnden Freixenet, während ihr Blick Hendriks Gestalt
suchte. Nach dem Essen war er wortlos an ihrem Tisch vorbeigegangen. Seitdem
stand er am Tresen. Lyns Herz begann zu klopfen, und sie fragte sich, ob es an
dem hastig getrunkenen Sekt lag oder an dem umwerfend aussehenden Mann dort
drüben. Hendrik trug zu einem anthrazitfarbenen Anzug ein weißes Hemd mit
schmaler, schwarzer Krawatte. Klassisch und männlich.
»Was Barbara sich bei
diesem Kleid gedacht hat, weiß ich nicht«, sagte Elke Knebel und deutete auf
ihre Nichte, die sich an einem Tisch am anderen Ende des Saals mit einem
Bekannten unterhielt. »Der Ausschnitt ist doch schon unanständig, oder?«
»Sie kann es sich doch
leisten«, meinte Sylvia Salamand. »Jung und knackig zu sein ist ja kein
Verbrechen. Ich habe nach der Geburt der Zwillinge nie wieder zu meiner alten
Form zurückgefunden. Wollt ihr die beiden mal sehen?« Sie kramte in ihrer
kleinen Abendtasche und zog ein Foto heraus.
»Ha!«, lachte Karin, als
sie das Bild in die Hand bekam. »Zwei kleine Lurchis. Süß!«
Lyn stimmte in das
Gelächter mit ein. Die beiden Dreijährigen, ein Junge und ein Mädchen, hatten
die Gene ihres Vaters geerbt. Beide strahlten, blass und mit roten Haaren, aus
der Badewanne in die Kamera.
»Ich möchte jetzt gerne
mal tanzen«, sagte Tessa Steenbuck mit leicht genervtem Blick zum Tresen,
»entschuldigt mich einen Moment.« Sie lief die paar Schritte zur
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