Marschfeuer - Kriminalroman
Brötchen
holen …«
»Es kommt durchaus vor,
dass Menschen anonym in Krankenhäuser eingeliefert werden«, klärte Lyn sie auf.
»Er könnte von einem Auto angefahren worden sein oder–«
»Dann hätte das
entsprechende Krankenhaus Frau Jacobsen ja wohl informiert«, warf Paul Lindmeir
entschieden ein.
»Wenn ausweisende
Papiere bei der Person gefunden werden, ja«, stimmte Lyn ihm zu, »aber beim
Gang zum Bäcker hat nicht jeder seinen Ausweis bei sich.«
Sie sah Margarethe an.
»Hatte Ihr Mann seinen Ausweis bei sich?«
»Ja, bestimmt«, nickte die
alte Dame.
»Hinrich Jacobsen geht
nicht einmal zur Toilette ohne Papiere«, konstatierte Paul Lindmeir.
»Nun denn«, nickte Lyn
und holte ihr Aufnahmegerät aus der Tasche. »Frau Jacobsen, bitte schildern Sie
noch einmal den Ablauf des gestrigen Morgens … Ich weiß, dass Sie das bereits
gestern den Kollegen zu Protokoll gegeben haben«, sagte sie mit sich hebender Stimme,
da Paul Lindmeirs Gesichtsausdruck Protest erwarten ließ, »aber ich würde es
gerne noch einmal aus Ihrem Mund hören. Bitte.«
»Also … eigentlich gibt
es nicht viel zu erzählen«, begann Margarethe Jacobsen. Sie musste sich
räuspern, um ihre belegte Stimme freizubekommen. »Es war ein Freitagmorgen wie
immer. Hinrich hat den Frühstückstisch gedeckt und den Kaffee angestellt … Denken
Sie jetzt nicht, ich wäre faul«, entschuldigte sie sich bei Lyn, »aber mein
Mann ist immer früh wach. Also bereitet er das Frühstück vor. Alle anderen
Hausarbeiten erledige ich natürlich.«
»Das ist doch völlig in
Ordnung«, lächelte Lyn, innerlich schmunzelnd. Die gute Margarethe schien noch
vom alten Schlag zu sein. Der Mann hatte das Geld nach Hause zu bringen, die
Frau den Haushalt zu versorgen.
»Ich habe oben sein Bett
abgezogen, als er losging, um die Brötchen zu holen«, berichtete Margarethe
Jacobsen weiter. »Ich …«
»Wann war das genau?«,
hakte Lyn ein.
»Das muss ziemlich genau
gegen Viertel vor sieben gewesen sein. So wie immer. Ich habe die Tür ins
Schloss fallen hören. Dann bin ich ins Bad und habe mich anschließend
angezogen. Ja, und dann …« Ihr Blick verschwamm. »Als ich runterkam in die
Küche, da … da war es schon merkwürdig. Normalerweise ist er dann schon wieder
da. Es ist ja nicht weit bis zum Bäcker. Zuerst hab ich mir nichts weiter dabei
gedacht. Hat Hinne wohl jemanden getroffen, hab ich gedacht. Aber … er kam nicht.
Ich bin immer wieder zur Tür, hab rausgeguckt, ob er kommt. Nichts.« Sie
räusperte sich erneut und strich über Paul Lindmeirs Hand. »Paul, würdest du
mir einen Schluck Wasser holen? Mein Mund … er ist so trocken.«
»Natürlich!« Er sprang
auf und verließ den Raum.
»Ihr Mann kam also
nicht«, nahm Lyn den Faden wieder auf. »Was haben Sie dann gemacht?«
»Ich habe meinen Mantel
genommen und bin zum Bäcker gegangen. Die Frau Krebitz hat gesagt, dass er gar
nicht da war. Die Brötchentüte lag noch dort. Ja, und dann … dann bin ich
wieder nach Hause. Ich habe lange gewartet. Aber er kam nicht. Dann habe ich
Paul angerufen. Ich wusste doch nicht, was ich tun sollte.«
»Ich bin dann die
Strecke noch einmal abgelaufen«, kam es von der Tür. Lyn sah auf. Paul Lindmeir
trug ein Tablett mit einer Flasche Mineralwasser und drei Gläsern vor sich her.
Es stellte es auf den Tisch, schenkte ein Glas voll und gab es Margarethe
direkt in die Hand.
»Frau Harms?«, fragte er
und nahm ein anderes Glas.
»Gern«, antwortete Lyn.
Sie wartete, bis er auch sein Glas gefüllt und sich wieder gesetzt hatte. »Sie
sind also auch noch einmal bis zum Bäcker gelaufen?«
Er nickte. »Nicht nur
das. Ich bin durch halb Glückstadt gelaufen. Erst um den Marktplatz, dann den
Fleth entlang in beide Richtungen. Ich bin sogar noch zum Supermarkt am
Fritz-Lau-Platz und habe dort nachgefragt. Aber niemand konnte sich erinnern,
Hinrich dort gesehen zu haben. Es war auch mehr eine Verzweiflungstat. Hinrich
ist eigentlich nie einkaufen gegangen. Nicht wahr, Margarethe?«
»Nein, nein«, bestätigte
sie, »das habe ich erledigt.«
»Wann haben Sie die
Kollegen von der Wache informiert?«, fragte Lyn.
»Direkt danach«,
antwortete Paul Lindmeir. Sein ernster Blick ruhte auf ihr. »Und was hat es
gebracht? Nichts! Ihre Kollegen haben das Stadtgebiet abgekämmt, bis zur
Dunkelheit hat sogar die Freiwillige Feuerwehr mitgeholfen, alles abzusuchen.
Nichts.«
»Ja, und darum werden
wir heute verschärft weitere Maßnahmen ergreifen«, erklärte
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