Marschfeuer - Kriminalroman
als er ihn an sich
genommen hat. Wollte seine Spuren vernichten. Jetzt fühlte er sich vielleicht
sicher.«
»Ich hatte Kevin
Holzbach beim Wewelsflether Maifeuer vor mir am Tresen. Er hat zwei Flaschen
Sekt gekauft und mit einem Fünfzigeuroschein bezahlt.« Diese Erkenntnis war Lyn
kurz vor dem Einschlafen gekommen. Charlottes Äußerung hatte sie daran
erinnert. »Und er hat diesen Geldschein nicht aus einem Clip gezogen, sondern
ihn zerknüllt aus der Jackentasche geholt.«
»Natürlich konnte er den
Clip nicht benutzen«, sagte Hendrik. »Viele wussten, dass der alte Jacobsen so
einen Clip hatte.«
»Genau«, nickte der
Staatsanwalt, »aber bei sich hatte er ihn trotzdem. Vielleicht hatte er Angst,
dass jemand bei ihm in der Wohnung den Clip entdecken würde.«
»Er hat seine Freundin Jana
beim Schnüffeln erwischt. Das hat sie mir gestern erzählt«, musste Lyn zugeben.
Das milde Lächeln Meiers ärgerte Lyn, aber sie blieb ruhig. »Kevin Holzbach
hatte Mittwochabend einen Streit mit Markus Lindmeir.«
Meiers Lächeln
verschwand. »Ich hatte am Wochenende auch einen Streit mit meinem Nachbarn. Und
soll ich Ihnen was sagen, Frau Harms? Er lebt noch … Mein Gott, da haben wir
einen Verdächtigen plus Motiv, etwas, womit ich auch vor die Presse gehen kann,
und Sie suchen wieder die Laus im Salat. Vielleicht freut es Sie zu hören, dass
der Richter sein Okay zum Abpumpen des Jachttanks gegeben hat.«
Er zog ein Papier aus
seiner Mappe. »Die ›Rigani‹ ist auf dem Weg nach Port Elizabeth in Südafrika.
Die Aktion beginnt dort, sobald die Jacht anlegt.« Er sah Lyn an. »Vielleicht
sind dann auch Sie zufrieden, Frau Harms, wenn die Leiche von Waldemar Pankratz
gefunden wird.«
Lyn nickte. Nicht weil
sie Meiers Meinung war, sondern weil sie wollte, dass er die Tür von draußen
schloss. Möglichst rasch.
Aber daraus sollte so
schnell nichts werden, denn der Staatsanwalt sagte: »Ja, meine Damen und
Herren, ich möchte Sie nicht von der Arbeit abhalten. Wir wollen alle noch
etwas vom Wochenende haben. Ihren Chef werde ich allerdings noch ein wenig
beanspruchen. Gehen wir in Ihr Büro, Herr Knebel?«
Es war kurz vor fünfzehn
Uhr, als Lyn an den Rahmen von Wilfried Knebels Tür klopfte. »Du Armer. Meier
ist gerade erst weg, oder?«
Der Hauptkommissar
winkte Lyn zu dem Stuhl vor seinem Schreibtisch. »Setz dich.« Er nahm seine Brille
ab, steckte das Ende eines Bügels in den Mund und schloss einen Moment lang die
Augen. Dann setzte er die Brille wieder auf und blickte Lyn über den Rand
hinweg an.
»Du und ich sind nicht
zufrieden. Meier ja. Was schon mal eine schlechte Ausgangslage ist. Er hat
natürlich recht. Alles spricht dafür, dass Kevin Holzbach der Täter ist. Sein
Großonkel war von Anfang an nicht gut auf ihn zu sprechen. Als i-Tüpfelchen
stellte er ihn vor seinen Kollegen bloß. Jana Reimers zitiert ihren Freund mit
den Worten: ›Ich bring die Sau um.‹ Das Motiv steht also.«
Er nahm einen Bleistift
und klopfte damit auf die Notizen vor sich. »Mit Waldemar Pankratz gab es mehr
als ein Dutzend Auseinandersetzungen. Er kannte dessen Gewohnheiten genau. Da
muss ich Meier zustimmen. Er könnte sich den Alten ausgeguckt haben, hat ihn
geopfert, um den Mord zu vertuschen … Und nicht zuletzt hatte er den Clip bei
sich.« Nickend zog er die Schultern hoch. »Wir sollten wirklich zufrieden sein.
Und doch … irgendwie schmeckt es mir nicht. Das erscheint mir alles zu lau,
nicht der Grausamkeit der Taten angemessen.«
»Das genau ist die
Frage«, sagte Lyn und stand auf. Sie trat ans Fenster, ohne einen Blick für das
nachmittägliche Treiben auf den Straßen und Bürgersteigen der Kreisstadt zu
haben. »Kann man dem Jungen diese Tat zutrauen? Ganz ehrlich«, sie drehte sich
zu Wilfried um, »wenn ich an seine Augen denke, kann ich das nicht wirklich
abstreiten. Da lag so etwas Fieses in seinem Blick. Allerdings hätte ich ihm
eher zugetraut, dass er seinem Großonkel die Reifen des Wagens aufschlitzt, um
seinen Gesichtsverlust vor den Kollegen zu rächen.«
Der Hauptkommissar
klappte die Mappe mit seinen Notizen zu. »Wir haben nichts zu verlieren.
Schnapp dir Lindmeir junior, Lyn, und fühl ihm auf den Zahn. Frag ihn nach
seinem Alibi für die vergangene Nacht.«
»Glaubst du wirklich,
dass uns das weiterbringt? Wenn er nichts mit dem Tod des Jungen zu tun hatte,
wird er sagen, dass er geschlafen hat. Denn genau das tut man um diese Uhrzeit.
Und wenn er etwas damit zu tun hatte, wird er
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