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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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zuwider war. Dazu die Erinnerungen, die hochkamen. Magali. Manu, Ugo. Und Arno, der sich mir durch seine Exfreundin, die permanent unter Stoff stand, brutal ins Gedächtnis rief. Pavie, die kleine Pavie, die zu viel geträumt hatte. Und zu schnell erkannt, dass das Leben ein schlechter Film ist, an dem auch Technicolor nichts ändert. Pavie, die um Hilfe rief, und Serge, der für immer gegangen war.
    Das Leben ist eine Kette von Zufallsbegegnungen. Und von Entscheidungen, die uns einen Weg statt des anderen einschlagen lassen, was nicht immer zum verhofften Ziel führt. Ein »Ja« hier, ein »Nein« dort. Ich befand mich nicht zum ersten Mal in so einer Lage. Manchmal hatte ich das Gefühl, immer in die falsche Richtung zu gehen. Aber wäre der andere Weg besser gewesen? Hätte es einen Unterschied gemacht?
    Das bezweifelte ich. Aber sicher war ich nicht. In irgendeinem Drei-Groschen-Roman hatte ich gelesen, dass »der Mensch sich von dem Blinden in uns führen lässt«. Wie wahr. So tasten wir uns vorwärts. Blind. Unsere freie Entscheidung ist nur eine Illusion. Eine Abwechslung, die das Leben bietet, damit die bittere Pille besser runtergeht. Nicht unsere Entscheidungen bestimmen das Leben, sondern unsere Verfügbarkeit für andere.
    Als Gélou heute Morgen bei mir auftauchte, stand mein Leben still. Sie war wie ein Funke, der eine Kettenreaktion auslöst. Die Welt um mich herum hatte sich wieder in Bewegung gesetzt. Und es knallte, wie gehabt. Willkommen in der Galeere!
    Ein Blick in den Rückspiegel bestätigte mir, dass ich immer noch verfolgt wurde. Wer? Warum? Seit wann? Müßige Fragen, weil ich auch nicht den Anflug einer Antwort wusste. Ich konnte nur annehmen, dass mein Schatten mir bei Saadna aufgelauert hatte. Oder auch nach meinem Gespräch mit Anselme. Oder vor dem Kommissariat. Oder zu Hause. Nein, unmöglich, nicht zu Hause, das ergab überhaupt keinen Sinn. Aber »irgendwo« nach dem Anschlag auf Serge, ja, das leuchtete ein.
    Ich legte die Kassette von Bob Marley mit Slave Driver wieder ein, um mir Mut zur Tat zu machen. Entlang der Eisenbahngleise an der Rue Honorât beschleunigte ich ein wenig. Der Safrane reagierte kaum auf meine siebzig Stundenkilometer. Ich ging wieder auf normale Geschwindigkeit hinunter.
    Pavie. Sie war bei Arnos Prozess dabei gewesen. Ohne aufzumucken, ohne zu weinen, wortlos. Stolz, wie Arno. Dann wurde sie rückfällig, beging wieder ihre kleinen Betrügereien, um sich Stoff zu besorgen. Ihr Leben mit Arno war letztendlich nur ein Strohhalm des Glücks gewesen. Arno war für sie das Sprungbrett in ein besseres Leben gewesen. Aber sein Brett war mit dem gleichen Elend beschmiert. Er war ausgerutscht, sie war gestürzt.
    An der Place d'Aix fuhr der Safrane bei Gelb über die Ampel. Gut, sagte ich mir, es ist fast elf, und ich kriege allmählich Hunger. Und Durst. Ich bog ohne Blinker in die Rue Sainte-Barbe ein, gab aber auch kein Gas. Dann in die Rue Colbert, Rue Méry und Rue Caisserie, in Richtung Vieux-Quartiers, wo ich aufgewachsen war. Dort, wo meine Eltern gelebt hatten, nachdem sie aus Italien geflohen waren. Wo Gélou geboren war. Wo ich Manu und Ugo kennen gelernt hatte. Und Lole , deren Gegenwart die Straßen immer noch zu beleben schien.
    An der Place de Lenche parkte ich wie bei uns üblich, das heißt im Halteverbot, vor der Einfahrt eines kleinen Gebäudes, mit dem rechten Rad kurz vor den Eingangsstufen. Auf der anderen Straßen - seite war wohl ein Parkplatz, aber ich wollte meinen Verfolger glauben lassen, dass ich nicht lange bliebe, wenn ich mir keine Parklücke suchte. So ist das hier. Manchmal war es sogar für eine Viertelstunde das Beste, mit Warnblinklichtern in der zweiten Reihe zu parken.
    Die Nase des Safrane kam zum Vorschein, als ich meine Tür abschloss. Ich achtete nicht darauf. Ich steckte mir eine Zigarette an und ging entschlossenen Schrittes die Place de Lenche hinauf, bog dann rechts in die Rue des Accoules und noch mal rechts in die Rue Fonderie-Vieille. Eine Stufenflucht hinunter, und ich war wieder in der Rue Caisserie. Ich brauchte nur noch zur Place de Lenche zurückzugehen, um zu sehen, was aus meinem Verfolger geworden war.
    Er hatte sich nicht geziert und den von mir freigelassenen Parkplatz genommen. Eine perfekt legale Parklücke. Das Fenster auf der Fahrerseite war offen, und es stiegen Rauchwölkchen heraus. Der Typ hatte die Ruhe weg. Ich machte mir keine Sorgen um ihn. Solche Kutschen hatten sicher Stereo. Der Safrane war

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