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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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Schiffbruch. Ich löschte das Licht. Mehr konnte ich im Moment nicht für sie tun.
    Ich hatte mir ein Glas Lagavulin eingeschenkt und mich für die Nacht mit den Geschichten der Unrast von Joseph Conrad auf dem Sofa eingerichtet. Das Buch kann ich jeden Abend wieder lesen. Es beruhigt mich und hilft mir in den Schlaf. So wie Brauquiers Gedichte mir zum Leben helfen. Aber meine Gedanken waren woanders. Im Hier und Jetzt. Ich musste Guitou zu Gélou zurück - bringen. So einfach war das. Danach würde ich eine kleine Unterhaltung mit Gélou führen müssen, auch wenn sie die Hauptsache zweifellos schon begriffen hatte. Ein Kind verdiente es, dass man mit ihm bis zum Ende ging. Keine Frau hatte mir die Gelegenheit gegeben, Vater zu werden, aber davon war ich überzeugt. Natürlich war es nie einfach, ein Kind aufzuziehen. Es ging nicht ohne Schmerz ab. Aber es war die Mühe wert. Wenn es eine Zukunft für die Liebe gab.
    Ich war eingeschlafen, um sogleich wieder aufzuwachen. Was mich beschäftigte, saß tiefer. Serge, sein Tod. Und alles, was er aufgewühlt hatte. Arno und Pavie, irgendwo in der Nacht verloren. Und was er ausgelöst hatte. Wenn zwei Ganoven hinter mir her waren, dann deshalb. Wegen Serges dunkler Geschäfte. Ich konnte keinen Zusammenhang zwischen den exaltierten, bärtigen Islamisten und der Varer Unterwelt erkennen. Aber zwischen Marseille und Nizza war alles möglich. Man hatte schon allerhand erlebt. Und ich war immer auf das Schlimmste gefasst.
    Ich fand es auch nicht normal, dass ich kein Adress-oder Notizbuch oder etwas in der Art aufgestöbert hatte. Nicht mal einen einfachen Zettel. Vielleicht waren Balducci und sein Partner vor mir da gewesen, sagte ich mir. Ich war zu spät gekommen. Aber ich konnte mich nicht entsinnen, auf meinem Weg zum Vieux Moulin einen Safrane gesehen oder passiert zu haben. Diese ganze Dokumenta - tion über die Islamisten musste etwas zu bedeuten haben.
    Nachdem ich mir ein zweites Glas Lagavulin genehmigt hatte, vertiefte ich mich in die Zeitungen und Presseausschnitte, die ich mitgebracht hatte. Daraus ging hervor, dass dem Islam in Bezug auf Europa mehrere Wege offen standen. Der erste war Dar el-Suhl, wörtlich »Land des Vertrages«, wonach man sich an die Gesetze des jeweiligen Landes anpassen muss. Der zweite, Dar el-Islam, bedeu - tete: Land, in dem der Islam unweigerlich die Mehrheit erhalten wird. So eine Studie von Habib Mokni, einem führenden Mitglied der islamistischen Bewegung aus Tunesien, der in Frankreich Zuflucht gesucht hatte. Das war 1988.
    Inzwischen war Dar el-Suhl v on den Bärtigen zurückgewiesen worden. Und Europa, insbesondere Frankreich, war zum Spielfeld und Basislager geworden, wo Pläne und Aktionen zur De s tabili - sierung des Heimatlandes geschmiedet wurden. Das Attentat 1994 auf das Hotel Atlas Asni in Marrakesch, Marokko, hatte seinen Ursprung in einer Wohnsiedlung von Courneuve im Norden von Paris. Dieser Zusammenprall von Bestrebungen führte uns Europäer und sie, die Integristen, auf einen dritten Weg, Dar el-Harb, laut Koran »Land des Krieges.«
    Nach der Attentatswelle in Paris im Sommer 1995 war es unmöglich, den Kopf in den Sand zu stecken. Auf unserem Boden war ein Krieg ausgebrochen. Ein schmutziger Krieg. Dessen »Helden« wie Khaled Kelkal in den Vorstädten von Paris oder Lyon groß geworden waren. Waren die nördlichen Viertel von Marseille vielleicht auch eine Brutstätte der »Gotteskämpfer«? Hatte Serge sich mit dieser Frage beschäftigt? Aber warum? Und für wen?
    Auf der letzten Seite von Habib Moknis Artikel hatte Serge an den Rand geschrieben: »Seine am deutlichsten sichtbaren Opfer sind die der Attentate. Andere fallen ohne erkennbare Verbindung.« Außer - dem hatte er ein Zitat aus dem Koran mit einem gelbem Marker angestrichen: »Bis sich für euch das eine vom anderen unterscheidet wie der weiße vom schwarzen Faden.« Das war alles.
    Erschöpft hatte ich die Augen geschlossen. Und war sofort in einem gewaltigen Knoten aus schwarzen und weißen Fäden versunken. Um mich anschließend im wirrsten aller Irrgärten zu verlieren. Ein wahres Spiegelkabinett. Aber die Spiegel warfen nicht mein Bild zurück, sondern die Bilder meiner verlorenen Freunde und geliebten Frauen. Ich wurde von einem zum anderen gestoßen. Ein Gemälde voller Gesichter und Namen. Ich bewegte mich dazwischen wie die Kugel in einem Flipperautomaten. Ich war in einem Flipperautomaten. Schweißgebadet wachte ich auf. Kräftig

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