Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
Vom Netzwerk:
zurückzog. Meine Galle war in Aufruhr. Aber ich hatte nichts mehr auszukotzen. Außer einer unendlichen Traurigkeit.
    Fonfon hatte mir neuen Kaffee gemacht. Ich stürzte einen weiteren Cognac und den Kaffee hinunter, bevor ich mich setzte.
    »Was wirst du tun?«
    »Nichts. Ich werde ihr nichts sagen. Fürs Erste. Er ist tot, das ist nicht mehr zu ändern. Und für sie ändert es auch nichts, ob sie jetzt, heute Abend oder morgen leidet. Ich werde das alles überprüfen. Ich muss das Mädchen finden. Und den Jungen, diesen Mathias.«
    »Hm, ja«, machte er und schüttelte skeptisch den Kopf.
    »Glaubst du nicht ...«
    »Ich verstehe das nicht. Dieser Junge hat seine Ferien mit Guitou verbracht, sie haben fast jeden Abend zusammen gefeiert Warum behauptet er, dass er ihn nicht kennt? Ich bin der Meinung, Guitou und Naïma wollten das Wochenende dort in dem Appartement verbringen. Freitagabend hat Guitou dort übernachtet, um die Kleine am Morgen zu treffen. Er muss einen Schlüssel gehabt haben, oder jemand hat ihn eingelassen.«
    »Hocine Draoui.«
    »Ja. Das ist sicher. Und die Fabres, sie wissen, wer Guitou ist. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer, Fonfon.«
    »Vielleicht wollte die Polizei es geheim halten.«
    »Das glaube ich nicht. Ein anderer als Loubet, vielleicht. Er ist nicht so machiavellistisch. Wenn er wüsste, wer Guitou ist, hätte er seine Identität bekannt gegeben. Er sagt selber, dass die Identifizierung der Leiche Licht in die Angelegenheit bringen würde.«
    Loubet kannte ich gut. Er war bei der AntikriminalitätsBrigade. Auch sein Weg war mit Leichen gepflastert. Er war in die verzwicktesten Geschichten getaucht, um an die Oberfläche zu bringen, was besser nie hochgekommen wäre. Er war ein guter Polizist. Ehrlich und gerecht. Einer von denen, für die die Polizei im Dienst der republikanischen Ordnung steht. Ein Bürger. Was immer das heißen mag. Er hatte keinen großen Glauben mehr, aber er hielt sich tapfer. Und wenn er eine Untersuchung führte, mischte sich besser niemand ein. Er ging immer bis zum Ende. Ich habe mich oft gefragt, durch welchen glücklichen Zufall er noch am Leben war. Und auf diesem Posten.
    »Na?«
    »Irgendwas stimmt nicht.«
    »Du glaubst nicht an einen Einbruch?«
    »Ich glaube gar nichts.«
    Doch: Ich hatte geglaubt, dieser Tag würde scheußlich werden. Er war noch schlimmer.

Achtes Kapitel
In dem die Geschichte nicht die einzige
Form des Schicksals ist

    Die Tür öffnete sich, und ich war sprachlos. Vor mir stand eine junge Asiatin. Wahrscheinlich Vietnamesin. Aber ich konnte mich täuschen. Sie war barfuß und traditionell gekleidet. Das über der Schulter geknöpfte, scharlachrote Oberteil fiel halb über die Oberschenkel über eine kurze, dunkelblaue Hose. Die langen, schwarzen Haare waren zur Seite gekämmt und verdeckten zum Teil ihr rechtes Auge.
    Ihr Gesichtsausdruck war ernst, ihr Blick vorwurfsvoll, sicher weil ich bei ihr geklingelt hatte. Bestimmt gehörte sie zu der Sorte Frauen, die sich immer gestört fühlen, egal zu welcher Zeit. Immer - hin war es kurz nach elf.
    »Ich hätte gern mit Monsieur und Madame Fabre gesprochen.«
    »Ich bin Madame Fabre. Mein Mann ist in seinem Büro.«
    Wieder blieb mir die Stimme weg. Ich hatte nicht eine Sekunde daran gedacht, dass Adrien Fabres Frau Vietnamesin sein könnte. Und so jung. Sie musste um die fiinfunddreißig sein. Ich fragte mich, in welchem Alter sie Mathias gekriegt hatte. Aber vielleicht war sie nicht seine Mutter.
    »Guten Tag«, brachte ich schließlich heraus, ohne jedoch aufzuhören, sie mit den Augen zu verschlingen.
    Das war einigermaßen unverschämt von mir. Aber mehr noch als ihre Schönheit hielt mich der Charme dieser Frau gefangen. Er vibrierte in meinem Körper. Wie eine elektrische Spannung. Das passiert manchmal auf der Straße. Man begegnet dem Blick einer Frau und dreht sich um, weil man hofft, diesen Blick noch einmal zu erhaschen. Ohne sich auch nur zu fragen, ob die Frau hübsch, wie sie gebaut, wie alt sie ist. Nur wegen der Sprache ihrer Augen in diesem Moment: Traum, Erwartung, Verlangen. Ein ganzes Leben voller Möglichkeiten.
    »Worum geht es?«
    Sie hatte kaum die Lippen bewegt, und ihre Stimme klang wie eine vor deiner Nase zugeschlagene Tür. Aber die Tür blieb offen. Leicht nervös strich sie ihr Haar zurück, sodass ich ihr Gesicht sehen konnte.
    Sie musterte mich von Kopf bis Fuß. Marineblaue Leinenhose, blaues Hemd mit weißen Punkten ‒ ein Geschenk von Lole ‒

Weitere Kostenlose Bücher