Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
Anhöhen einen Tempel errichtet. Moulins, Carmes und Saint-Laurent. Mit einem Theater direkt neben dem letzten Tempel und einer Agora an der Stelle der heutigen Place de Lenche.
Das behauptete jedenfalls Hocine Draoui in seinem Kolloquiums - beitrag über Marseille, den der Provençal neben dem Interview mit Adrien Fabre abgedruckt hatte. Draoui stützte sich dabei auf alte Schriften, insbesondere des griechischen Geografen Strabon. Denn die Überreste dieser Monumente wurden fast nie entdeckt. Aber, so die Zeitung, der Beginn der Ausgrabungen an der Place Jules-Verne, direkt am Alten Hafen, schien seine Thesen zu bestätigen. Von dort bis zur Vieille-Charité war es eine überraschende Zeitreise durch fast ein ganzes Jahrtausend. Er betonte den außerordentlichen Ein - fluss der antiken Stadt und stellte vor allem ihren Niedergang nach der Eroberung durch Cäsar in Frage.
Der Bau des Parkhauses wurde sofort unterbrochen. Die mit den Arbeiten beauftragte Firma knirschte natürlich mit den Zähnen. In der Innenstadt war das schon einmal passiert. Beim Einkaufszen - trum an der Börse waren die Verhandlungen lang und zäh gewesen. Zum ersten Mal kamen die Festungsmauern von Massilia zum Vorschein. Der hässliche Betonbunker wurde trotzdem durchge - paukt, als Gegenleistung für die Zusicherung eines »Ruinengar - tens«. Nichts und niemand hatte allerdings verhindern können, dass das Parkhaus an der Place du Général-de-Gaulle, nur wenige Schritte vom Alten Hafen entfernt, gebaut wurde. Hier, an der Vieille-Charité, musste es natürlich zu einer neuen Kraftprobe kommen.
Vier junge Archäologen, drei Männer und eine Frau, machten sich in dem Loch zu schaffen. Ohne Eile. Einige alte Steine waren von der gelben Erde befreit worden, das waren die Festungsmauern der Stadt unserer Vorfahren. Kurioserweise benutzten sie weder Hacke noch Schaufel. Ihre Arbeit erschöpfte sich im Zeichnen von Grundrissen und dem Katalogisieren der Steine. Ich hätte mein schönes, gepunktetes Hemd wetten können, dass auch hier der Beton den großen Sieg davontragen würde. Wie schon woanders würden sie ihre Stippvisite nach vollendeter Arbeit mit einer Dose Coca-Cola oder Kronenbourg »datieren«. Es würde alles verloren gehen. Nur die Erinnerung würde bleiben. Die Marseiller würden sich damit abfinden. Sie alle wissen, was sich unter ihren Füßen befindet und tragen die Geschichte ihrer Stadt im Herzen. Es ist ihr Geheimnis, das ihnen kein Tourist jemals wegnehmen kann.
Auch Lole hatte dort gewohnt, bevor sie zu mir zog. Auf der un - zerstörten Seite der Rue des Pistoles. Die Fassade ihres Hauses war noch genauso vergammelt und bis zur ersten Etage mit Graffiti bedeckt. Das Gebäude schien verlassen zu sein. Alle Fensterläden waren geschlossen. Als ich zu ihren Fenstern hochsah, blieb mein Blick an dem Schild der Parkhausbaustelle hängen. Vor allem an einem Namen. Dem Namen des Architekten. Adrien Fabre.
»Ein Zufall«, sagte ich mir. Aber ich glaube nicht an Zufälle. Auch nicht ans Schicksal. Nichts passiert ohne Grund, ohne Sinn. Worüber konnten der Architekt eines Parkhauses und ein in Massilia verlieb - ter Altertumsforscher sich unterhalten, fragte ich mich, während ich die Rue du Petit-Puits hinaufging. Verstanden sie sich so gut, wie Fabre behauptete?
Das Schild hatte eine Flut von Fragen ausgelöst. Die letzte von allen war unausweichlich: Konnte es sein, dass Fabre erst Hocine Oraoui und dann Guitou genau deshalb ermordet hatte, weil der ihn hätte identifizieren können? Das passte. Und bestätigte mich in der Annahme, dass Fabre nichts von der Anwesenheit des Jungen im Haus wusste. Dennoch, auch ohne ihn zu kennen, konnte ich mir nicht vorstellen, dass er erst Hocine und dann Guitou umgebracht hatte. Nein, das passte nicht. Es war schon schwierig genug, einmal auf den Abzug einer Pistole zu drücken, aber ein weites Mal zu schießen, noch dazu aus nächster Nähe auf einen unschuldigen Jungen, das war wirklich etwas anderes. Etwas für Profis. Echte Killer.
Wie dem auch sei: Um das Haus auszuräumen, mussten sie zu mehreren gewesen sein. So viel war klar. Fabre hätte den anderen nur die Tür öffnen müssen. Das war schon besser. Aber er hatte ein felsenfestes Alibi, das Cue und Mathias bestätigten. Sie waren zusammen in Sanary. Gewiss, die Strecke ließ sich nachts mit einem guten Wagen in weniger als zwei Stunden bewältigen. Nur — wa - rum hätte Fabre das tun sollen? Das war eine gute Frage. Aber ich
Weitere Kostenlose Bücher