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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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ist vor ein paar Tagen rückfällig geworden, wenn du das meinst . Hat den Job geschmissen und alles. Rose, meine Freundin, hat letzte Nacht bei ihr geschlafen. Dann hat sie hier ein bisschen aufgeräumt. War nicht gerade Luxus.«
    »Verstehe.«
    Und plötzlich fügten die Puzzleteile sich in meinem Kopf zusam - men. Als Untersuchungsbeamter war ich noch immer keinen Pfifferling wert. Ich folgte meiner Eingebung, ohne mir jemals Zeit zum Nachdenken zu nehmen. In meiner Überstürzung hatte ich ganze Episoden ausgelassen. Die Reihenfolge, den zeitlichen Ablauf. Solche Dinge. Das Abc der Polizei.
    »Hast du Telefon?«
    »Nein. Am Ende der Straße ist eins. Eine Telefonzelle, meine ich. Die ohne Münzen funktioniert. Du nimmst ab, und das wars. Sogar für die Vereinigten Staaten!«
    »Danke, Randy. Ich komm noch mal vorbei.«
    »Und wenn Pavie wieder aufkreuzt?«
    »Sag ihr, sie soll sich nicht von der Stelle rühren. Es ist besser, sie bleibt bei euch.«
    Aber wenn ich mich nicht täuschte, war dies der letzte Ort, den Pavie aufsuchen würde. Hier. Selbst wenn sie bis obenhin voll Drogen steckte. Je näher der Tod, desto stärker der Lebenswille.

Elftes Kapitel
    In dem es nichts Nettes
zu sehen gibt

    M ourad brach das Schweigen. »Ich hoffe, dass sie da ist, meine Schwester.« Ein einziger Satz. Lakonisch.
    Ich war von der Rue de Lyon abgefahren, um quer durch die nördlichen Vorstädte nach Saint-Henri zu gelangen, wo ihr Großvater wohnte. Saint-Henri liegt kurz vor L'Estaque. Vor zwanzig Jahren war es noch ein ganz kleines Dorf, von dem aus man den nördlichen Vorhafen und das Bassin Mirabeau überblicken konnte.
    Ich grummelte ein leicht gereiztes »Ich auch«. Zu viele Gedanken wirbelten mir durch den Kopf. Das absolute Chaos! Mourad hatte die Zähne nicht auseinander gekriegt, seit er im Wagen saß. Ich hatte ihm Fragen gestellt. Über Naïma, über Guitou. Er hatte stur mit »Ja« und »Nein« geantwortet. Ein paar »Weiß nicht« dazwischen gestreut. Zuerst hatte ich gedacht, er stelle sich bockig. Aber nein, er machte sich Sorgen. Das konnte ich verstehen. Ich auch.
    »Ja, ich auch«, wiederholte ich etwas einfühlsamer, »ich hoffe, sie ist da.«
    Er warf mir einen Seitenblick zu. Nur um zu sagen: Okay, wir sind auf derselben Wellenlänge. Wir hoffen, aber wir sind nicht sicher. Und diese Ungewissheit macht uns ganz krank. Der Junge war wirklich Klasse.
    Ich legte eine Kassette von Lili Boniche ein. Ein algerischer Sänger aus den Dreißigerjahren. Ein Künstler im Vermischen unterschied - licher Stilrichtungen. Seine Rumbas, Pasodobles und Tangos hatten den ganzen Maghreb zum Tanzen gebracht. Auf dem Flohmarkt von Saint-Lazare hatte ich einen Stapel seiner Platten aufgestöbert. Lole und ich waren sonntags oft und gern hingegangen. Danach tranken wir einen Aperitif in einer Bar in L'Estaque und beendeten den Ausflug mit einem Teller Muscheln bei Larrieu.
    An jenem Sonntag hatte sie einen schönen, langen, roten Rock mit weißen Punkten gefunden. Einen Zigeunerrock Abends kam ich in den Genuss einer Flamenco-Probe. Zu Los Chunguitos. Apasionada - mente. Ein heißes Album. Wie das Ende des Abends.
    Lili Boniche hatte uns dann begleitet, bis wir einschliefen. Auf der dritten Platte stößt man auf Ana fil houb. Eine arabische Fassung von Mon histoire, c'est l'histoire d'un amour! Wenn ich ein Liedchen pfiff, kam mir diese Melodie als erste in den Sinn. Das und Besame mucho. Lieder, die meine Mutter pausenlos vor sich hin summte. Ich hatte schon mehrere Versionen. Diese war ebenso schön wie die Fassung der Mexikanerin Tish Hinojosa. Und hundertmal besser als die von Gloria Lasso. Absolut Spitze. Ein wahres Glücksgefühl.
    Immer noch pfeifend kehrte ich in Gedanken zu dem zurück, was Rico, der Wirt vom Balto, mir erzählt hatte. Wenn ich daran dachte, wie klar er bestimmte Dinge gesagt hatte, hätte ich mich ohrfeigen können. Seit Anfang der Woche war Pavie jeden Nachmittag ins Balto gekommen. Sie trank einen Halben und knabberte an einem Schinkensandwich, das sie sich kommen ließ. Sie sah aus wie an ihren schlechten Tagen, sagte Rico. Also hatte er Serge angerufen. Bei Saadna. Aber Serge war am nächsten Tag nicht gekommen. Auch nicht am übernächsten.
    »Warum hast du mich nicht angerufen?«, hatte ich gefragt.
    »Ich weiß nicht mehr, wo ich dich erreichen kann, Fabio. Du stehst nicht mal im Telefonbuch.«
    Ich hatte eine Geheimnummer. Mit Minitel riskierst du auf einen Freund, der dich sucht, fünfzig

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