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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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Mädchen, fast immer eigentlich. Es lag ständig eine Schlägerei in der Luft. Und es gab immer einen Sportplatz oder ein freies Gelände, auf dem wir uns die Fresse einschlagen konnten. Vauban gegen La Blancarde. La Capelette gegen Belle-de-Mai. Le Panier gegen Le Rouet. Nach einem Ball, einer Fete, einem Jahrmarkt oder nach dem Kino. Das war nicht die West Side Story ‒ Latinos gegen Puertoricaner. Jede Gang hatte ihren Teil an Italienern, Spaniern, Armeniern, Portugiesen, Arabern, Afrikanern, Vietnamesen. Wir schlugen uns wegen des Lächelns eines Mäd - chens, nicht wegen der Hautfarbe. Das schuf Freundschaften, keinen Hass.
    Einmal ließ ich mich hinter dem Vallier-Stadion übel von einem Itaker zurichten. Ich hatte seine Schwester am Ausgang des Tanz - saals Alhambra in La Blancarde »böse« angesehen. Ugo hatte dort ein paar Mädchen aufgetrieben. Das war eine Abwechslung zu den Salons Michel. Später entdeckten wir, dass unsere Väter aus Nachbardörfern stammten. Meiner aus Castel San Giorgio, seiner aus Piovene. Wir gingen ein Bier trinken. Eine Woche später stellte er mir seine Schwester Ophelia vor. Wir waren »compaesani«. Das war etwas anderes. »Wenn es dir gelingt, sie zu halten, Hut ab! Ihr kommt es nur drauf an, Männer schar f zumachen.« Ophelia war eine schlimme Schlampe. Sie ist Mavros' Frau geworden. Armer Kerl, er hat es bitter bereut.
    Das Zeitgefühl war mir abhanden gekommen. Ich parkte meinen Wagen fast vor Tonis Haus. Sein Golf stand fünfzig Meter weiter oben. Ich rauchte und hörte Buddy Guy. Damn Right, He's Got the Blues. Ein fantastisches Stück. Marc Knopfler, Eric Clapton und Jeff Beck begleiteten ihn. Ich zögerte noch, Toni einen Besuch abzu - statten. Er wohnte im zweiten Stock, und es brannte Licht. Ich fragte mich, ob er allein war oder nicht.
    Denn ich war allein. Pérol war ins Bassens-Viertel geeilt. Eine Schlägerei bahnte sich an. Zwischen den Jungs des Viertels und Mourrabeds Kumpeln. Eine Araber-Gang von außerhalb provozierte die Jungs aus dem Viertel. Sie hatten zugelassen, dass die Bullen Mourrabed mitnahmen. Sie waren wütend, das war klar. Der große Schwarze hatte schon eine Abreibung bekommen. Sie hatten ihn auf dem Parkplatz zu fünft in die Enge getrieben. Die aus Bassens ließen nicht zu, dass Fremde sich in ihrem Gebiet breit machten. Schon gar nicht Dealer. Die Messer wurden gewetzt.
    Allein konnte Cerutti nichts ausrichten. Auch nicht mit Reivers Hilfe, der sofort gekommen war, bereit, nach seiner Tagschicht noch eine Nachtschicht zu machen. Pérol hatte die Mannschaften zusammengetrommelt. Sie mussten schnell handeln. Einige Dealer verhören, unter dem Vorwand, dass Mourrabed sie verpfiffen hatte. Das Gerücht in Gang setzen, dass er ein Spitzel war. Das würde die Gemüter beruhigen. Sie wollten verhindern, dass die Jungs aus Bassens sich mit den andern in die Haare kriegten.
    »Geh essen, schnapp ein bisschen frische Luft, und mach keine Dummheiten«, hatte Pérol gesagt. »Warte damit auf mich.« Ich hatte ihm nichts von meinen Absichten für den Abend gesagt. Außerdem hatte ich gar keine. Ich fühlte nur, dass ich etwas unternehmen musste. Ich hatte Drohungen in die Welt gesetzt. Ich konnte mich nicht länger wie ein gehetztes Tier verkriechen. Ich musste sie dazu bringen, aus der Deckung zu kommen. Einen Fehler zu machen. Ich hatte Pérol gesagt, dass wir uns später treffen und gemeinsam einen Plan ausarbeiten würden. Er hatte mir angeboten, bei ihm zu schlafen, in meiner Hütte war es zu gefährlich. Ich sah das auch so.
    »Weißt du, Fabio«, hatte er gesagt, nachdem er mir zugehört hatte, »natürlich empfinde ich die Dinge nicht wie du. Deine Freunde habe ich nicht gekannt, und Leila hast du mir nie vorgestellt. Aber ich verstehe deine Situation. Ich verstehe, dass es dir nicht nur um Rache geht. Es ist einfach dieses Gefühl, dass es Dinge gibt, die man nicht durchgehen lassen kann. Weil du sonst nicht mehr in den Spiegel schauen kannst.« Pérol sprach wenig, aber jetzt ereiferte er sich. Er hätte noch stundenlang weiterreden können.
    »Reg dich nicht auf, Gerard!«
    »Tu ich nicht. Ich will dir sagen, was ich denke. Du hast einen dicken Fisch an der Angel. Du kannst nicht allein zuschlagen. Allein kommst du aus dem Schlamassel nicht raus. Ich stehe dir bei. Ich lasse dich nicht im Stich.«
    »Ich weiß, dass du mein Freund bist. Was du auch tust. Aber ich will nichts von dir, Gérard. Kennst du den Ausdruck? Ab hier ist Ihr Ticket

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