Marsha Mellow
drei Kisten voll mit Gedenktellern und - tassen und Queen-Mum-Klopapierrollenhaltern in die hinterste Ecke des Dachbodens zu verbannen. Danach stand die Mahagonivitrine im Esszimmer über drei Jahre lang leer, ein aussagekräftiges Symbol eines katastrophalen Werteverlusts innerhalb des gehobenen Establishments.
»Das ist einfach unmöglich«, sage ich, nachdem ich meine Stimme wiedergefunden habe.
Ist es auch. Ich erinnere mich, wie sie einmal um Haaresbreite aus ihrer geliebten Tory-Partei ausgetreten wäre, als die Presse über John Majors Affäre mit Ed ...
Himmel Herrgott in Dreiteufelsnamen , hatte ich soeben einen klaren Moment oder was? Edwina Currie. Das neue Outfit. Dieser schräge neue konservative Schick meiner Mutter, aus dem ich nicht so richtig schlau wurde und von dem ich dachte, er diene dazu, meinen Vater wieder ins eheliche Bett zu locken ... Dabei hatte Mum nur ihren Seitensprung im Sinn.
»Es tut mir Leid, dass ich es dir sagen musste«, sagt Ant, der offenbar ahnt, was in mir vorgeht.
»Wer war es?«
»Kennst du nicht. Ein Typ namens Pat. Ein Gärtner.«
»Ein Gärtner?«
»Keine Angst, sie hat sich nicht mit der sozialen Unterschicht eingelassen. Er ist so ein eingebildeter Lackaffe, der ein paar Sträucher stutzt und einen Springbrunnen installiert und sich als Landschaftsarchitekt bezeichnet. Sie hat ihn auf der Blumenausstellung in Chelsea kennen gelernt - vor den Begonien hat es gefunkt.«
»Das ist alles unwichtig. Ist das Ganze noch aktuell?«
»Nein. Es war schon aus, als sie es mir gebeichtet hat. Sie war voller Schuldgefühle - und zwar so sehr, dass sie automatisch dasselbe von deinem Vater angenommen hat.«
»Tja, da ist ja auch durchaus ... was dran.«
»Gut, aber sie konnte es nur vermuten, woran sich offenbar nichts geändert hat. Sie macht sich die allergrößten Vorwürfe wegen ihres Seitensprungs. Es hat einiges gekostet, ihr klar zu machen, dass Gott nicht nachtragend ist, sondern auch Sünden verzeiht, und dass sie nicht zwingend in der Hölle landet... Ich glaube, der Typ war bloß ein One-Night-Stand, falls dir das hilft.«
Wohl kaum. Selbst wenn es sich um einen einmaligen Ausrutscher handelt, wird mich nun mein Leben lang das Bild von meiner Mutter und Pat verfolgen, wie sie sich im Immergrün herumwälzen, neben dem Bild von meinem Vater, wie er sich gerade von Sandra vom Catering-Service auf einem Parkplatz einen blasen lässt. Meine Eltern werden zum Albtraum. Was ist mit den beiden bloß los? Haben die überhaupt keinen Anstand mehr? Die sollen gefälligst vom Sex innerhalb und außerhalb ihrer vier Wände die Finger lassen.
»Verflucht, Ant, mir ist schleierhaft, warum du meinst, dass mir das irgendwie weiterhilft«, sage ich, nachdem ich die ganze, hässliche Wahrheit über die bumsfidelen Bickerstaffs erkannt habe.
»Das tut es aber. Denk mal scharf nach. Erstens ist deine Mutter nicht die fromme Heilige, für die du sie immer gehalten hast. Ich meine, immerhin hat sie deinen Vater betrogen. Man kann dir ja einiges vorwerfen, aber betrogen hast du niemanden. Und zweitens, wenn sie selbst ein schlechtes Gewissen hat, wird es ihr doppelt schwer fallen, dich wegen deinem Buch zu verurteilen.«
Gut, das mag ja stimmen, aber ich sehe immer noch keinen Zusammenhang. Alles, was ich sehe, sind sich im eigenen Schweiß wälzende, kopulierende Mittfünfziger mit den Gesichtern meiner Eltern.
Durch ein Klopfen an der Scheibe neben mir schrecke ich aus meinen Grübeleien hoch. Es ist Chris. Als wir uns vorhin im Club von ihm verabschiedet haben, stand sein Mund nach all den Enthüllungen, deren er Zeuge geworden war, immer noch offen. Der hätte gegen einen Nachschlag bestimmt nichts einzuwenden. Prompt betritt er den Laden und rutscht zu mir auf die Bank.
»Pater Anthony«, murmelt er mit heiserer Stimme, »meine letzte Beichte war vor einem halben Jahr, und, der liebe Gott möge es mir nachsehen, ich war ein ganz schön unartiger Junge.«
»Noch so ein Spruch, und du bist gefeuert«, raunzt Ant ihn an. Das scheint sein Ernst zu sein.
»Ach, sei kein Spielverderber. Gib mir sechs Ave Marias und versohl mir ordentlich den Hintern.«
»Ich warne dich, Chris, das ist jetzt nicht der richtige Moment«, erwidert Ant.
»Ihr beiden seid einfach unglaublich«, plappert Chris völlig unbeeindruckt weiter. »Ich könnte mir einen Monat lang sämtliche Talkshows reinziehen, aber so viel Schlüpfriges wie von euch vorhin werde ich da nicht präsentiert bekommen.«
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